Stoerfall in Reaktor 1
Spinnst du?«
Hannah zuckt mit der Schulter. »Ich hatte ja viel Zeit, nachdem du dich nicht mehr gemeldet hast. Und vielleicht wollte ich ein bisschen informiert bleiben, was du so machst.«
»Das heißt, du … du machst das schon länger?«, stammelt Lukas entgeistert. »Du spionierst schon die ganze Zeit hinter mir her? Hast du dich etwa auch in meine E-Mails gehackt und …«
»Klar«, sagt Hannah nur. »Wenn schon, dann auch richtig.«
»Ich fasse es ja wohl nicht!« Lukas ist mit einem Schlag so sauer, dass er am liebsten nur noch wegrennen würde. Außerdem ist er verletzt. Enttäuscht. »Vergiss es«, blafft er, als Hannah ansetzt, um etwas zu sagen. »Mir reicht’s. Ich finde das einfach nur … voll daneben, damit du es weißt, und jetzt lass mich in Ruhe. Es geht dich überhaupt nichts an, was ich tue!«
Den letzten Satz hat er gebrüllt. Das ist typisch für Hannah, denkt er gleichzeitig. Sie nimmt sich das Recht heraus, einfach für sich zu entscheiden, was okay ist und was nicht. Und es ist ihr völlig egal, was sie anderen damit antut. Aber so war sie schon immer, er hatte nur immer darüber hinweggesehen …
Er dreht sich um und reißt die Tür zur Feuertreppe auf. Er ist schon die ersten Stufen hinuntergestiegen, als er Hannah hinter sich herrufen hört: »He! Eine Sache gibt es da noch, die dich vielleicht interessieren könnte!«
Lukas zögert. Er weiß selbst nicht, warum eigentlich.
»Ich wüsste nicht, was«, quetscht er zwischen den Zähnen heraus.
Hannah erscheint in der Tür über ihm.
»Ich könnte dir zum Beispiel erzählen, wo mein Vater letzte Nacht war, als ihr eure große Nummer da durchgezogen habt. Nur wenn du es hören willst natürlich …«
Lukas steigt langsam die Stufen wieder hinauf. »Wenn du irgendjemandem was erzählst wegen letzter Nacht, dann …«
»Du hörst mir nicht zu. Aber pass auf, ich sag’s dir trotzdem. Mein Vater ist schon seit Tagen jede Nacht weg, mal nur für eine Stunde, mal länger. Und letzte Nacht auch wieder. Und als er zurückkam, sah er echt fertig aus. So nervös, dass er meine Mutter total zusammengeschrien hat, als sie wissen wollte, was das mit dem Strahlenalarm war. Sie hätte ja keine Ahnung, hat er immerzu gebrüllt, und ob sie wirklich glauben würde, dass er uns bei einem echten Alarm nicht längst informiert und weggeschickt hätte, zu meiner Oma nach Hamburg oder sonst wohin. Und dann ist er türenknallend in seinem Arbeitszimmer verschwunden und hat noch zweimal telefoniert. Wenn du wissen willst, mit wem, dann hör auf, dich zu benehmen wie der letzte Idiot und komm wieder rein, dann zeig ich’s dir …«
Ohne eine Antwort abzuwarten, geht sie zurück in ihr Zimmer. Als wüsste sie genau, dass Lukas ihr folgen wird. »Mach die Tür zu, ja?«, sagt sie nur, während sie sich wieder am Laptop zu schaffen macht. »Hier, beide Male die gleiche Nummer!«
Lukas tritt hinter sie. »Du kannst sehen, wo er angerufen hat?«, fragt er und merkt selbst, wie dümmlich das klingt.
Hannah zeigt auf den Bildschirm, ohne auf Lukas’ Frage zu reagieren. »Hier ist die Liste mit allen internen Telefonverbindungen vom AKW «, erklärt sie. »Und die Nummer, die er benutzt hat, ist die direkte Durchwahl zum Reaktorblock, hier, siehst du?«
Lukas braucht einen Moment, bis er die Informationen sortiert kriegt.
»Du sagst, er war jetzt schon öfter nachts da drüben? Und letzte Nacht auch? Und nachdem er wieder hier war, hat er noch mal angerufen …«
»Zweimal. Und zwar direkt im Reaktorblock.«
Als er nichts erwidert, blickt Hannah ihn fragend an. »Interessant oder nicht?«
»Das passt zumindest zu den anderen Infos, die wir haben«, sagt Lukas leise. »Da ist irgendwas gelaufen, wovon wir keine Ahnung haben.«
»Dann wäre es vielleicht gut, wenn du mir jetzt mal ein bisschen mehr erzählst«, sagt Hannah ganz ruhig. »Ach ja, und bevor du dich fragst, ob du mir vertrauen kannst – doch, kannst du. Ich hab nämlich nachgedacht inzwischen …« Sie rollt sich mit ihrem Stuhl ein Stück zur Seite, als wolle sie mehr Abstand zwischen sich und Lukas bringen. Sie legt den Kopf in den Nacken und blickt zur Decke hinauf. Dann schaut sie ihn wieder an, und als sie weiterredet, ist ihre Stimme so leise, dass Lukas Mühe hat, sie zu verstehen. »Pass auf, Lukas, ich bin nicht blöd. Und ich glaube, ich weiß auch, warum das mit uns nicht mehr funktioniert hat. Ich hab ein bisschen gebraucht, weil ich erst nur total verletzt und wütend war,
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