Stoerfall in Reaktor 1
Kaffeemaschine ein, damit niemand sehen kann, wie er grinst. Karlotta ist echt klasse, er liebt seine kleine Schwester für ihre unerwarteten Sprüche und ⦠für ihre Tapferkeit. Wie sie damit umgeht, dass sie schwer krank ist, denkt er, und merkt, wie ihm die Tränen in die Augen schieÃen. Da ist wieder dieser Druck auf der Brust. Er bleibt mit dem Rücken zu den anderen stehen und atmet tief durch.
Hinter ihm plappert Karlotta drauflos. Dass sie nicht wieder ins Bett will, sondern raus.
»Die Ãrztin hat doch gesagt, frische Luft ist gut. Und Sonne und so. Ich will zu den Pferden und nach dem kleinen Fohlen gucken. Das ist so süÃ! Ich will wissen, was es schon alles kann. Bestimmt kann es jetzt schon selber Gras fressen! Haben wir noch Möhren zum Mitnehmen?«
»Aber bis zur Pferdewiese ist es ein langer Weg«, wendet Lukasâ Vater ein. »Wollen wir nicht das Auto nehmen und zur Burg rauffahren? Da können wir im Café vielleicht Eis essen, was meinst du?«
»Ich will aber nicht zur Burg. Die Burg ist doof! Ich will zu den Pferden!«
Lukas dreht sich um. »Ist doch okay«, sagt er. »Ich kann das machen. Ich geh mit Karlotta zur Pferdewiese. Wir können ja den Rollstuhl mitnehmen, falls es zu weit wird.«
»Au ja!«, ruft Karlotta. »Ich geh mit Lukas zur Pferdewiese und gucke nach dem kleinen Fohlen!«
Sie klettert von ihrem Stuhl und läuft die Treppe hoch zu ihrem Zimmer, um sich anzuziehen.
»Bist du dir sicher, dass das geht?«, fragt Lukasâ Vater. »Das wird ihr bestimmt zu viel â¦Â«
»Lass sie doch. Sonst schiebe ich sie eben. Aber sie scheint doch echt gut drauf zu sein heute. Und wir wissen nicht, wie es ihr geht, wenn nächste Woche die Chemo anfängt, also soll sie ruhig noch mal was machen, was ihr Spaà macht.«
Lukasâ Vater nickt.
Erst jetzt bemerkt Lukas die tiefen Falten in seinen Mundwinkeln und die schweren Tränensäcke unter den Augen. Mein Vater sieht alt aus, denkt er. Fertig. Kaputt.
»Noch mal wegen der beiden Typen gestern«, sagt sein Vater unvermittelt. »Hast du von denen noch mal was gehört? Oder waren sie auch bei irgendeinem von deinen Freunden?«
»Ich glaube nicht, nein.«
»Sehr merkwürdig. Aber du versprichst mir, dass du nicht irgendwas machst, was dir schaden könnte, ja? Ich muss wissen, dass alles in Ordnung ist, wir haben genug Sorgen wegen Karlotta â¦Â«
»Schon klar. Aber wenn du mich so direkt fragst: Nichts ist in Ordnung, und das weiÃt du selber!«
Sein Vater hebt hilflos die Hände, als wollte er aufgeben. Oder um Waffenstillstand bitten oder so was. Aber Lukas merkt, wie seine Wut wiederkommt. Es ist immer dasselbe, denkt er. Sie streiten sich ja noch nicht mal richtig, sondern kehren immer nur alles unter den Teppich. Als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Leonie ist gestorben. Karlotta muss wieder zur Chemo. Aber das Einzige, was sie machen, ist, sich die Augen aus dem Kopf zu heulen und trotzdem so weiterzumachen wie bisher.
Karlotta kommt die Treppe runtergepoltert. Aber Lukas sieht, dass sie schon das Anziehen mehr angestrengt hat, als gut für sie ist. Ihre Wangen haben rote Flecken und ihre Haare sind verschwitzt.
Er sucht ein paar Möhren aus dem Kühlschrank. Dann nickt er seinem Vater zu und schiebt den Rollstuhl aus der Tür.
»Laufen oder fahren?«, fragt er seine kleine Schwester, als sie auf dem FuÃweg an der StraÃe sind.
»Laufen!«
Karlotta fasst nach seiner Hand. Ihre kleinen Finger sind immer noch klebrig vom Frühstück. Lukas passt auf, dass er keine zu groÃen Schritte macht.
Als sie an der Ecke sind, an der sie auf den Weg zu den Pferdewiesen abbiegen müssen, klingelt Lukasâ Handy. âºUnbekannter Anruferâ¹ teilt ihm das Display mit. Er überlegt, ob er den Anruf einfach wegdrücken soll. Aber er ist zu neugierig. Nein, das ist es nicht. Nicht nur. Vielmehr hofft er, dass der Anrufer gar nicht so unbekannt ist â¦
Er grinst, als er Hannahs Stimme hört.
»Was machst du gerade?«
»Ich geh ein bisschen mit Karlotta spazieren.«
»Wohin?«
»Zur Pferdewiese wahrscheinlich. Mal sehen. Und du?«
»Ich quäl mich hier rum. Echt, ich darf gar nicht daran denken, dass wir nächste Woche schon diese Arbeit schreiben, Informatik ist echt nicht mein Ding. Die ganze Programmiersprache, das geht mir so
Weitere Kostenlose Bücher