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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Hänel
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Radioaktivitätsfreisetzung.«
    Dr. Schröder dreht sich zum Bürgermeister und wechselt ein paar halblaute Sätze mit ihm, der Bürgermeister übernimmt in das entstandene Gemurmel hinein das Schlusswort: »Liebe Freunde, ich würde mal sagen, das war’s. Ich danke, wir danken Herrn Dr. Schröder für seine fachkundigen Ausführungen und für die Zeit, die er uns geopfert hat. Herr Dr. Schröder hat eben vorgeschlagen, nächstes Wochenende einen Tag der offenen Tür im Kernkraftwerk zu veranstalten, ich denke, das ist eine gute Möglichkeit für uns alle, um sich vor Ort zu informieren und sich von … äh … sachlichen Argumenten überzeugen zu lassen. Wir sagen nicht einfach nur, Kernkraft ist sicher – Kernkraft ist tatsächlich sicher, unser Werk ist sicher, Wendburg ist sicher! Wir sind hier nicht in Japan und es gibt keinen Anlass zur Beunruhigung. Wir sehen uns also alle am nächsten Wochenende wieder hier und ich hoffe sehr auf Ihr und euer zahlreiches Erscheinen! Ein letztes Wort noch«, setzt er mit erhobener Stimme hinzu, als verschiedene Zwischenrufe ertönen. »Dr. Schröder wird im Übrigen mit der Konzernleitung ein Gespräch führen, um für eine angemessene Spende für die Kinder-Krebsstation im Hildesheimer Krankenhaus zu plädieren, und ich verspreche sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass wir vielleicht schon am Tag der offenen Tür Zeuge sein dürfen, wenn er einen entsprechenden Scheck an die … äh … Selbsthilfegruppe der betroffenen Eltern hier überreichen wird! Ich denke, das ist einen Applaus wert, meine Damen und Herren!«
    Einen Moment herrscht verblüfftes Schweigen, dann fängt jemand an zu klatschen, ein paar andere fallen ein. Dr. Schröder nickt und hebt in einer abwehrenden Geste die Hände, als der Bürgermeister ruft: »Und bitte, ja, das ist kein Eingeständnis irgendeiner Schuld, sondern einzig und allein eine Geste, die deutlich machen soll, das auch ein überregionaler Energiekonzern wie der Betreiber unseres Werkes durchaus menschlich reagieren kann und sich im Übrigen der Verantwortung, die er für die Zukunft einer Gesellschaft hat, vollauf bewusst ist!«
    Â»Das klingt ja wie eine Bedrohung!«, sagt der junge Redakteur laut, wird aber von dem jetzt allgemeinen Beifall übertönt, ebenso wie die Frau, die plötzlich aus der ersten Reihe tritt und auf Dr. Schröder und den Bürgermeister zugeht. Lukas hätte sie fast nicht erkannt, erst als Karlotta ihr aufgeregt zuwinkt, sieht er, dass es die Ärztin ist, die Karlotta zur weiteren Behandlung an das Krankenhaus überwiesen hatte.
    Â»Ich bin die behandelnde Ärztin der an Leukämie erkrankten Kinder hier im Ort«, versucht sie, sich Gehör zu verschaffen, »und ich möchte gern auch noch etwas sagen!« Sie hat hektische rote Flecken im Gesicht, die sich von den Wangen bis zum Hals hinunterziehen, und ihre Stimme zittert vor Anspannung. Sie ist eindeutig irritiert, als Dr. Schröder und der Bürgermeister sie einfach ignorieren und an ihr vorbei zu ihren Autos wollen.
    Es ist zu spät, denkt Lukas, sie hätte eher was sagen müssen, jetzt hört ihr sowieso niemand mehr zu. Die meisten sind schon dabei zu gehen, die Show ist vorbei. Das Mittagessen wartet. Nur die Mitglieder der Selbsthilfegruppe stehen noch zusammen und besprechen etwas miteinander.
    Â»Einen Moment, ich rede mit Ihnen!« Die Stimme der Ärztin überschlägt sich. Sie hält Dr. Schröder am Arm fest. »Was Sie da eben gesagt haben, das stimmt so nicht! Sie können …«
    Weiter kommt sie nicht. Plötzlich sind Koschinski und Müller da und schieben sie höflich, aber bestimmt zur Seite. Der Redakteur ist aufmerksam geworden und will ihr offensichtlich ein paar Fragen stellen. Koschinski zeigt ihm einen Ausweis und schüttelt den Kopf.
    Â»Mami!«, ruft Karlotta im gleichen Moment und springt aus dem Rollstuhl auf, um zu ihrer Mutter zu rennen. »Ich hab dich die ganze Zeit gesehen! Wir sind schon die ganze Zeit da, ich und Lukas!«
    Lukas sieht, wie die Ärztin von Koschinski und Müller zu ihrem Auto begleitet wird, das sie vorne an der Straße geparkt hat. Der Redakteur starrt verblüfft hinter ihnen her, dann zuckt er mit der Schulter und beeilt sich, noch ein paar Stellungnahmen von den Leuten aus der Selbsthilfegruppe zu bekommen, die gerade

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