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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Hänel
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Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen, ist ohnehin schon einem – nennen wir es ruhig beim Wort –, einem grünen Aktionismus geschuldet, den ich beim besten Willen nicht nachzuvollziehen vermag. Aber spätestens, wenn wir jedem von euch hier ein paar Tag und Nacht knatternde Windräder vor die Haustür gestellt haben, wird sich so mancher wünschen, dass dieser Schritt sorgfältiger überlegt worden wäre, da bin ich mir sicher. Nein, nein«, wehrt er einen Zwischenruf des Redakteurs ab, »ich versuche nicht, hier etwas zu beschönigen oder unter den Teppich zu kehren, und selbstverständlich werden wir nochmals alle möglichen Zusammenhänge zwischen unserem Kernkraftwerk und der … fürchterlichen Krankheit, die die kleine Leonie aus unserer Mitte gerissen hat … äh … genauestens untersuchen …«
    Lukas’ Mutter springt auf, ihr Gesicht ist kreidebleich, ihre Stimme überschlägt sich fast. »Wir haben hier in Wendburg dreimal so viele an Leukämie erkrankte Kinder und doppelt so viele Krebskranke wie in anderen Regionen …«
    Â»Bitte, ja, ich kenne die Statistik, und genau deshalb werden wir auch nochmals … Aber ich sage auch, es ist wirklich niemandem damit geholfen, wenn jetzt hier Panik gemacht wird!« Er wendet sich wieder an die anderen Leute aus dem Dorf. »Wir untersuchen das, darauf habt ihr mein Wort, und bei dem geringsten Verdacht irgendeines Zusammenhangs werden wir unverzüglich die notwendigen Konsequenzen ergreifen, auch darauf habt ihr mein Wort! Aber ich bin mir fast sicher, dass das Ergebnis einer neuen Untersuchung nur das bestätigen wird, was wir ohnehin schon wissen. Und für weitere Details in diesem Feld gebe ich das Wort an den Direktor des Werkes, Herrn Dr. Schröder, der das in wenigen Sätzen zusammenfassen kann, was ich als ausgemachter Laie auf technischem Gebiet leider nur unzureichend formulieren kann … äh … Die, die mich schon länger kennen, wissen ja auch, dass ich in der Schule nicht gerade als Streber galt …«
    Wenn er jetzt auf ein paar Lacher gehofft hat, hat er sich gehörig getäuscht, denkt Lukas. Niemand lacht. Eher scheint es so, als würden die meisten Leute die Ansprache als genau das sehen, was sie war: peinlich. Hohles Gerede wie bei einer Wahlkampfveranstaltung. Allerdings hat offensichtlich auch keiner den Mut, den Mund aufzumachen und genau das zu sagen.
    Der Direktor räuspert sich und rückt wieder seine Krawatte zurecht, bevor er das Wort ergreift. »Nun, ich kann Ihnen zumindest versichern, dass ich in der Schule immer unter den Klassenbesten war, vor allem in meinem Lieblingsfach Physik. Aber es geht hier ja nicht um unsere Leistungen in der Schule, Sie haben ein Anliegen, das einer Klärung bedarf. Nach genauester Betrachtung aller bisher durchgeführten Untersuchungen muss festgehalten werden: Es gibt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Leukämie-Erkrankungen und dem hier ortsansässigen Kernkraftwerk. Die Ursachen für Leukämie sind weitgehend unbekannt, man weiß nicht, warum bei manchen Menschen genetische Veränderungen im Erbgut von Zellen vorkommen und warum es wiederum bei einigen zu einer bösartigen Veränderung und damit zu einer Erkrankung kommt, und bei anderen nicht. Vermutlich müssen ohnehin verschiedene Faktoren zusammenwirken, um die Krankheit ausbrechen zu lassen. Jeder Mediziner wird Ihnen das bestätigen. Auf alle Fälle kann ich Ihnen versichern, dass wir alle möglichen Risikofaktoren, die durch ein Kernkraftwerk entstehen könnten, mit aller Sicherheit ausgeschlossen haben. Die Sicherheit für die Bevölkerung steht für uns an erster Stelle bei jeder Entscheidung, und wir haben in allen Bereichen, in denen ein Austritt an Radioaktivität überhaupt möglich sein könnte, entsprechende Filteranlagen installiert, die eine radioaktive Belastung auf ein Minimum reduzieren, das weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Werten liegt.«
    Â»Moment!«, mischt sich jetzt der Redakteur ein. »Sie haben doch gerade gesagt, dass sehr wohl radioaktive Teilchen …«
    Â»Ich habe gesagt, dass wir nie die Grenzwerte für erlaubte Radioaktivitätsabgaben von 925 Millionen Becquerel pro Jahr für radioaktives Material überschritten haben. Und es gab definitiv keine kerntechnischen Unfälle mit erhöhter

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