Stoerfall in Reaktor 1
selbst brauchen, weil er ja bei der Veranstaltung was sagen soll. Aber Lukasâ Vater hat ab mittags frei, wenn er überhaupt zu der Veranstaltung geht, dann nur als Besucher. Lukas weiÃ, wo er die Chipkarte aufbewahrt. In seiner Brieftasche, in einem Extrafach, um sie immer gleich zur Hand zu haben, weil man ohne die Karte noch nicht mal den Fahrstuhl im Verwaltungstrakt benutzen kann. Sollte also kein Problem sein.
Wer aber ein Problem ist, ist Jannik. Der war so stinksauer, nachdem ihm Lukas von seinem Aushilfsjob erzählt hat, dass er fast ausgeflippt ist: »Klasse. Ich bin echt begeistert von dir! Cool, Alter, gestern wolltest du das ganze Werk am liebsten noch in die Luft jagen und jetzt spielst du den Lakaien da für die, wenn sie die Leute mit ihrer Party für dumm verkaufen wollen. Das nenn ich echt mal Gewissen! Aber ich versteh schon, Hauptsache, die Kohle stimmt. Jeder ist käuflich, weià ich ja von meinem Alten. Aber der hat wenigstens eine runde Million kassiert, während du dich für ein paar Käsecracker verkaufst!«
Danach hat er nicht mehr mit Lukas geredet und ist ihm aus dem Weg gegangen. Aber Hannah und Lukas fanden es besser, ihn nicht einzuweihen. »Das ist eine Sache von uns beiden«, hat Hannah gesagt. »Wir wissen, warum wir das tun. Und das gilt auch für den Fall, dass irgendetwas schiefgeht.«
Lukas erscheint der ganze Plan nach wie vor völlig hirnrissig. Was heiÃt überhaupt »Plan«? Das Ganze ist kein Plan. Das ist bestenfalls eine Art Skelett, aus dem man mit genügend Zeit vielleicht einen Plan machen könnte. Und wenn zufällig Vin Diesel dabei wäre. Zur Not ginge auch Bruce Willis, aber Lukas und Hannah alleine gegen den Rest der Welt â das kann nicht funktionieren. AuÃerdem wird er das Gefühl nicht los, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Fast rechnet er damit, dass jeden Moment Koschinski und Müller auftauchen, ihm die Hände auf den Rücken binden, ihm ein schwarzes Tuch über den Kopf streifen und ihn in irgendeinen Keller bringen, der ihnen als Verhörraum dient und in dem Hannah schon auf ihn wartet. Mit Handschellen an ein Heizungsrohr gefesselt und mit deutlichen Spuren von Misshandlungen im Gesicht, am Hals, auf den Armen. Und als er dann am Donnerstag auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Krankenhaus tatsächlich einen schwarzen Audi sieht, der in einigem Abstand im Schritttempo neben ihm herschleicht, ist er kurz davor, noch am selben Abend zu Hannah zu gehen und ihr das Ganze auszureden.
Aber dann sitzt er bei Karlotta am Bett und sie plappert drauflos, dass sie zu Weihnachten vielleicht schon wieder ganz gesund ist und sie doch alle zusammen wegfahren könnten. Zum Skilaufen in die Berge. Und Lukas streicht ihr eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht und will gerade noch mal davon erzählen, wie er letztes Jahr mit dem Sportkurs zum Skilaufen gefahren ist und Jannik sich angestellt hat wie der letzte Idiot, als ihr plötzlich schlecht wird und sie sich heftig übergeben muss.
Keine Chance, denkt Lukas, während die Krankenschwester sich um Karlotta kümmert, ich kann nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Hannah hat recht, wir müssen es wenigstens versuchen â¦
Als er nach Hause fahren will, trifft er Karlottas Ãrztin aus Wendburg auf dem Gang.
»Ich habe nicht vergessen, worüber wir beim letzten Mal geredet haben«, sagt sie leise, nachdem Lukas sich nach Karlotta erkundigt hat. »Und ich habe wieder ein neues Kind mit dem Verdacht auf Leukämie. Es reicht nicht, wenn wir einfach abwarten, bis das AKW vom Netz geht. Es muss jetzt etwas geschehen. Wenn du das ernst gemeint hast, dass du vielleicht meine Hilfe brauchst, dann kannst du auf mich zählen, ich werde auch öffentlich sagen, was ich denke.«
»Auch gegenüber jemandem von der Zeitung, zum Beispiel?«
Die Ãrztin nickt. »Was immer nötig ist, um etwas zu verändern.«
»Gut«, meint Lukas. »Das wird sicher helfen. Ich weià noch nicht genau, wann wir Sie brauchen können, aber gut zu wissen, dass Sie dabei wären.«
»Wer ist wir?«, fragt die Ãrztin nach. »Ihr habt etwas vor, richtig? Hat es was mit der Selbsthilfegruppe deiner Mutter zu tun? Plant ihr da irgendwas? Nein«, setzt sie dann hinzu, als sie Lukasâ Gesicht sieht. »Deine Mutter weià nichts davon, schon klar. Aber â¦Â«
»Ich kann im
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