Störgröße M
kurze Sendungen.«
»Braucht ihr Hilfe, Nahrung, Energie?«
Mit der Antwort erwartete sie eine neue Überraschung. Der Unbekannte entschied: »Nicht nötig. In zwei Wochen schwenken wir in die Parkbahn um Japetus ein. Kurz vorher werden wir Energie übernehmen.«
»Wir kommen euch entgegen.«
»Nicht nötig, Japetus«, lautete die lakonische Antwort.
Sie sahen sich an. »Jetzt hast du Spannung«, sagte er. »Entscheide.«
»Wir müssen Jeperzon wecken«, sagte sie.
»Weshalb?« versetzte er. »Du hast doch gehört, an Bord ist alles wohlauf.« Hätte er sich beim Hinausgehen umgedreht, wäre ihm ihr Blick aufgefallen. Ihre Augen waren von Zorn verdunkelt. Mund und Brauen aber waren nicht zu schroffen Linien verkürzt. Er ging, ohne sich ein zweites Mal zu verabschieden.
Am Morgen vernahm er, sie hätte von Jeperzon eine Rüge erhalten, weil sie ihn nicht augenblicklich in Kenntnis gesetzt hatte. Idiotisch, dachte er. Was hat er davon. Wichtigtuer. Als wenn sie nicht selber denken könnte.
Das Ereignis versetzte alle Gemüter in Erregung. Keiner in der Station war älter als fünfzig Jahre. Bewußt hatte niemand von ihnen den Start und das Verschwinden Raumschiffs »Messenger« miterlebt. Fünfundvierzig Jahre, das erschien selbst dem abgeklärtesten Kosmostramp wie ein Wunder, unvorstellbar und im Grunde unmöglich.
Seinerzeit dauerte eine solche Reise etwa zweieinhalb Jahre. Das hieß, die Expedition war mit Lebensmitteln für maximal zehn Jahre versorgt. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, die Rechnung ging nicht auf. Selbst durch kleinste Hungerrationen ließ sich ein Vorrat nicht derart strecken.
Jeperzon ordnete an, Verbindung zur Erde aufzunehmen und Weisungen einzuholen. Dincklee grinste. Der Tadel an Irelin dünkte ihm noch ungerechter. Er wollte ihr sein Mitgefühl erklären, was eigentlich ein Vorwand war, mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Sie ließ ihn nicht aussprechen, sondern entgegnete: »Seine Entscheidung ist den Umständen angemessen. Es scheint tatsächlich etwas Außergewöhnliches vorzuliegen, dessen Einschätzung einen einzelnen überfordert. Ich hätte ihn wecken sollen.«
Dincklee schüttelte den Kopf. »Du wirst dein Leben in Langeweile verbringen.«
Sie ließ sich nicht provozieren. Er fand die Aufmerksamkeit, mit der sie ihn musterte, erstaunlich. »Merkst du nicht«, sagte sie, »daß da oben etwas nicht stimmt?«
»Schon«, erwiderte er. »Aber was hat das mit uns beiden zu tun?«
Dincklee war keine Alternative zum Handeln vorstellbar, und tatsächlich erreichte sie von der Erde nichts anderes als der lapidare Befehl, dem »Messenger« entgegenzufliegen, sowie die Information, das Schiff habe keinerlei Regenerierungsanlagen mit sich geführt. Man stünde vor einem Rätsel. Alle notwendigen Maßnahmen wurden Jeperzons Kompetenz überantwortet. Den Abschluß bildete die Forderung, schnellstens festzustellen, wie die Besatzung des »Messenger« es angestellt habe zu überleben.
Der Nachdruck, mit dem diese Befehle übermittelt wurden, überzeugte Dincklee, daß im »Messenger« eine überaus heiße Kastanie zu sehen war. Er wettete mit sich selbst, wie Jeperzon entscheiden würde. Sollte Jonathan recht behalten, würde er nicht Ronninger schicken.
Seit. Stunden mühten sich die Kybertyrone dreier Stationen, eine VID-Brücke zum Raumschiff herzustellen, dessen Sendeleistung enorm gering war. Es blieb zu hoffen, daß mit schwindender Entfernung die Chancen stiegen.
Ermüdend langsam näherte sich der Heimkehrer.
Gegen Abend endlich formten sich auf den Schirmen Bilder. Es vergingen nochmals Stunden, ehe die Konturen sich klar abzuzeichnen begannen.
Vor diesem Augenblick hatte sich Dincklee gefürchtet, und gerade jetzt mußte er seinen Dienst antreten. Pergamentschädel auf dürren Hälsen schwankend, Triefaugen, die ihn rührselig anstarren würden, blinzelnd vor Hoffnungsentwöhnung. Verschüttete, die nach ihm gierten wie nach dem ersten Lichtstrahl. Um zu sterben, waren sie zurückgekehrt. Noch einmal der Erde grüne Auen, den Strand des Meeres, wolkenhohe Gipfel schauen!
Er erinnerte sich des entsetzlichen Geschwafels alter Leute von ihrer Zeit, der senilen Warnungen vor diesem und jenem. Konnten sich Menschen, fünfundvierzig Jahre lang eingeschlossen, anderem entsinnen als weinerlichen Zeuges? Die banalen Träume würden von ihnen strömen wie ein übler Geruch. Schluchzend würden sie fragen, ob es diese Schnapsmarke noch gäbe und jene Sendung im VID. Namen von Verwandten
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