Störgröße M
dieses Gesicht lächelte. Die Reglosigkeit ließ es entrückt erscheinen. Dincklee bildete sich eine Kühle ein, die über den Bildschirm zu ihm wehte. Sie umfächerte und schloß ihn ein.
»Das ist unmöglich«, antwortete John Kmer.
»Kann ich einen der anderen Expeditionsteilnehmer zu Gesicht bekommen?«
»Sie können mit jedem sprechen. Genügt Ihnen das nicht?«
»Was verbergen Sie vor mir?«
Kräftiger erscholl das Lachen, klingend wie Eisglöckchen. »Wir haben es nicht nötig, irgend etwas, was mit unserer Existenz in Zusammenhang steht, zu verbergen. Wir wollten Rücksicht nehmen auf Sie. Sind Sie legitimiert, bindende Zusagen zu machen?«
Dincklee behauptete es. Er war entschlossen, Jeperzon über diese Nacht einen Bericht zu liefern, dessen Inhalt ihn für alles entschädigen sollte, was von Ollstein bis Jeperzon seinen Weg gehemmt hatte. Wenn der glaubte, ihn einsperren zu können, dann hatte er sich verrechnet. Er hatte Irelin keine Phrase gesagt. Ein »C4« fand sich immer, auch hier. Auf dem »Messenger« waren irgendwelche Dinge geschehen. Auch Jeperzon konnte sie nicht ungeschehen machen.
»Berichten Sie, John Kmer.«
Der erste Satz spannte seine Aufmerksamkeit bis zum äußersten. »Choyteler ist unser Retter!« Der Arzt rührte sich nicht. »Er hat das Unwahrscheinliche, das Unmöglichscheinende vollbracht. Nicht nur, daß er kraft seines Genies einen Weg fand, unsere Weiterexistenz zu ermöglichen. Er hat uns eine Form des Daseins eröffnet, an die zu glauben bislang nur Phantasten gegeben war. Er selbst hat für uns darauf verzichtet. Wir haben die Vollkommenheit errungen, und wir brauchen dazu – stellen Sie sich das vor – keinen Körper. Im Gegenteil. Er störte und trennte uns voneinander. Seit unserer Vereinigung sind wir das Siebenundzwanzigfache unseres Selbst. Wir sind in einer Art und Weise eins, die Ihnen gespenstisch vorkommen muß. Aber in diesem Einssein liegt unsere Erfüllung. Wir besitzen Fähigkeiten, wie sie nie ein einzelnes Individuum besitzen kann. Es gelang uns, den Sinn des Daseins zu entschlüsseln. Er liegt in der Vereinigung! Die sinnlichen Erfahrungen unseres Leibes sind notwendige Stationen gewesen. Wir haben sie bewältigt und genießen nun die Sinnhaftigkeit unseres komplexen Seins, die Vollkommenheit der Siebenundzwanzigfachheit.«
Erst Sekunden später merkte er, daß die Stimme verstummt war. Hatte sie wirklich gesprochen? Wer hatte gesprochen?
Der Arzt hatte die Arme über der Brust verschränkt. Den Kopf leicht geneigt, betrachtete er Dincklee mit einem düsteren, triumphalen Lächeln.
Ein Wahnsinniger, dachte Dincklee. Was er soeben vernommen hatte, konnte nur die Ausgeburt eines schwachsinnigen Geistes sein, die phasotyronische Spielerei eines in Einsamkeit verwirrten Intellekts. Choyteler, der einzige Überlebende! Hatte er die anderen beseitigt, oder waren sie gestorben?
»Können Sie uns garantieren«, sagte die Stimme, die John Kmer gehören sollte, »daß unsere Daseinsform respektiert werden wird, daß wir, einschließlich Choyteler, alles erhalten, was zu unserem Leben notwendig ist?«
Dincklee bemühte sich, Klarheit in den Sinn der Worte zu bringen. Er mußte Zeit gewinnen. »Sie verzeihen, wenn ich Sie bitte, mir konkrete Angaben zu machen. Ich benötige eine detaillierte Darstellung der Vorgänge.«
»Das ist Ihr Recht«, erwiderte John Kmer. »Als wir vom Pluto starteten, um die Rückreise anzutreten, wähnten wir uns schon so gut wie daheim.« Ein leises Lachen erreichte Dincklee. »Es geschah nun, während der Verrichtung von Außenarbeiten, daß einer unserer Kameraden die Kontrolle über sich verlor und abtrieb. Wir standen vor der Entscheidung, unsere Energie- und Treibstoffreserven anzugreifen – und damit alle zu gefährden – oder ihn seinem Schicksal zu überlassen. – Die Suche kostete uns drei Tage und eine Menge Treibstoff.«
Diese Tatsachen waren im Archiv nicht enthalten gewesen. Die Meldung mußte verlorengegangen sein. Vielleicht hatte sie die Erde nie erreicht.
»Im letzten Augenblick konnten wir ihn bergen. Seine Rettung hatte fast unsere gesamten Energie- und Treibstoffvorräte aufgebraucht. Mit dem Rest brachten wir das Schiff auf den alten Kurs. Lediglich die Geschwindigkeit ließ zu wünschen übrig.« Der Sarkasmus nahm dem Geschehen nichts von seiner Tragik.
»Nun«, fuhr Kmer fort, »diese Tatsache dürfte Ihnen ja bekannt sein. Die Plasmakammern waren erschöpft. Wir verfügten noch nicht einmal über ausreichend
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