Stolen Mortality
brechen würden.
„ Junias !“
„Ich weiß es nicht!“, brüllte er. „Als ich ihn fand, war der Vampir schon weg.“
Catherine wandte sich von ihm ab, trat näher an Jamian heran. „Du hättest uns das erzählen müssen“, sagte sie ernst. „Geschwächt sollte man solche Wandlungen nicht durchführen.“
„Sagst du … reichlich früh!“, stammelte Jamian. „Ich merk ’s mir fürs … nächste Mal.“
„Welcher Vampir war das?“
„Keine Ahnung.“
„Kanntest du ihn nicht?“
„Keine – Ah…!“ Ein neuer Krampf schüttelte Jamies Körper.
Junias erzitterte unter dem abgehackten Keuchen seines Bruders.
„Genug jetzt!“ Blitzschnell war er an Jamians Seite, umfasste seinen Arm , um ihn festzuhalten. „Jamie, du kannst jederzeit von mir …“
„Verschwinde.“ Jamian wimmerte vor Schmerzen, stieß ihn jedoch mit aller Kraft zurück. „Geh hoch. Geh bitte endlich weg.“
Er konnte ihn doch jetzt nicht allein lassen. „Aber …“
„Nein!“ Jamians Stimme verwandelte sich in ein zorniges, tiefes Grollen. „Verschwinde sofort! Verschwindet alle!“
Er sprang auf die Füße, zerrte Catherine am Arm durch den Flur und stieß sie nach draußen. Junias erwartete, dass Magnus eingreifen würde, doch der lieferte sich nur ein düsteres Blickduell mit Jamie. Sein Bruder hatte Rotz und Wasser geheult, aber darunter war nichts Menschliches mehr in seinem Gesicht. Bloß Drohung. Catherine rief Magnus von draußen etwas zu und der Gesandte verließ würdevoll das Haus, starrte Jamian jedoch weiterhin an, bis dieser die Tür mit einem Donnerschlag hinter ihm zuwarf.
Jamians Blick traf Junias mit voller Wucht. Letale Wut.
„Lass … mich allein!“ Schwer atmend sank Jamian an der Wand in sich zusammen. „Geh!“
Junias hämmerte das Herz, als würde jemand darauf eintreten. Er gehorchte wider Willen und rannte die Treppen hoch in sein Zimmer. Jeder Muskel juckte vor Hilflosigkeit. Die Tür zog er noch mit der erforderlichen Beherrschung hinter sich zu. Dann holte er aus und schlug ein Loch in seine Zimmerwand. Normalerweise half das. Er beobachtete den Putz, der in Bröckchen und feinem Staub zu Boden rieselte, und stellte fest, dass heute nicht s normal war. Es tat nicht mal weh. Da, wo Schmerz sein sollte, war alles leer gefegt . Dafür stank es überall nach dem Zeug, womit Jamian gefoltert worden war.
Er betrachtete die Löcher im Gemäuer, ohne sie zu sehen. Er wusste, dass sie da waren, selbst wenn er die Lider schloss, standen sie ihm vor Augen. In den letzten Monaten waren es einige solcher Löcher geworden. In manchen hatte Jamie das Datum mit Filzschreiber hinterlassen, so wie Eltern Kerben in der Wand markierten, die das Wachstum der Kinder anzeigten. Offenbar fand Jamian das lustig. Oder er wollte ihn ärgern. Neben einem der datierten Löcher – dem Größten von allen, koloriert mit ein paar schmierigen Blutflecken – , lehnte Junias die Stirn an die Wand.
7. März 2008.
Der Tag, an dem zwei Gesandte wegen ihm gekommen waren. Der Tag, an dem er zu einem Kienshi gemacht wurde, obwohl er noch zu jung war, und ohne vorher zu erfahren, was ein Kienshi war. Ohne jede Ahnung, dass es etwas wie Wächter, Jäger oder Vampire außerhalb von Filmen oder PC-Spielen gab. Dass seine Familie seit Generationen für die Sicherheit dieser Stadt sorgen musste, ob sie wollten oder nicht, hatte Junias bis zu diesem Tag nicht ahnen können. Das Vertuschen solcher Kleinigkeiten zählte im Hause Bryonts zu den Routinen. Es schien wie eine Tradition, dass man grundlegende Dinge erfuhr, wenn es zu spät war.
Wie oft hatte er diesen Tag in den vergangenen drei Monaten schon verflucht? Jamian würde ihn nun bis in die Ewigkeit verfluchen.
Das Bildnis des Jamian B.
Zwei Stunden lang war Junias gezwungen , zuzuhören, wie Jamian unten gegen das Gift ankämpfte.
Er hätte am liebsten Kopfhörer aufgesetzt und die Musik so laut gedreht, dass sie keine anderen Geräusche mehr durchließ. Aber es wäre feige gewesen, sich vor dem zu verkriechen, was er zu verantworten hatte.
Er schrak zusammen, als sein Bruder im Erdgeschoss seinen Namen brüllte und an die Wand hämmerte. „Ich hau jetzt ab! Wenn du es wagst, nicht zur Schule zu gehen, brech e ich dir alle Knochen.“ Die Haustür wurde zugeknallt.
Normalerweise wäre er aufgrund dieser Drohung erst recht zu Hause geblieben. Normalerweise hätte Jamie ihm auch nicht gedroht, erst recht nicht mit Gewalt. Heute war alles anders, und ob es
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