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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ein. Sein Körper brannte nach einem Opfer. Er würde nicht mehr lange warten können. Krampfhaft klammerte er sich ans Lenkrad, um seine Arme am Zittern zu hindern. Ab und an wurde ihm bereits dunkel vor Augen. Schwarze Schmetterlinge öffneten die Flügel, flatterten aufgeregt und schlossen sie wieder. Mit jedem Mal wurden sie größer. Er spürte das Gift immer noch in jeder Ader. Roch es überall an sich und schluckte gegen die Übelkeit an, die der Gestank verursachte. Widerlich. Es verdreckte sein Blut.
    Das Ortseingangsschild von Aberdeen flog als petrolfarbiger Fleck im Grün der Bäume an ihm vorbei. Er wusste, was darauf stand.
    Come as you are.
    Das meinten die Aberdeener nicht wörtlich, und wenn, dann galt das gewiss nicht für ihn. Jemand wie er war nirgendwo willkommen. Nicht in diesem Zustand. Aber hier kannte ihn wenigstens niemand. Seine Wut würde niemanden treffen, um den es ihm leidtäte. Das Letzte , was er wollte, waren Schuldgefühle.
    Die Gleichgültigkeit, mit der er akzeptierte, an diesem Tag möglicherweise die Kontrolle zu verlieren, hätte ihm Angst machen sollen. Es machte ihm bloß Angst, dass er nichts dergleichen empfand.
    Er warf knappe Blicke in den Rückspiegel. Gehetzte, dunkelbraune Augen starrten vorwurfsvoll zurück. Toll machst du das, Bryonts. Grandios.
    Was hatte er erwartet? Vielleicht, dass sein Spiegelbild sich verändern würde. Dass er den Fluch in seinen Zügen erkannte. Die Wahrheit darin sah, so wie Dorian Grey sie in seinem Bild gesehen hatte.
    „Das wirkliche Leben ist Chaos, aber es liegt eine schreckliche Logik in der Fantasie“, rezitierte er tonlos und ohne Zusammenhang aus Oskar Wildes Roman. Seine Fantasie hätte einem grandiosen Horrorfilm zur Ehre gereicht.
    Er schüttelte den Kopf, bis ihm schwindelte. Nein, er war nicht wie Dorian Grey. Er war keiner Versuchung erlegen, sondern hatte seinen Bruder retten müssen. Er war verantwortlich für seinen kleinen Bruder – er hatte das tun müssen. Kreisende Gedanken tippten ihn mit boshaften Fragen an.
    Tatsächlich, Jamian? Hast du ihn um seinetwillen gerettet? Oder musstest du ihn retten, um nicht allein zurückzubleiben? Um nicht das schlimmste Monster zu sein in diesem Kaff, in dem du geboren bist und sterben wirst.
    Er hämmerte sich eine Faust gegen die Schläfe, um die Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Aufhören, er musste mit diesem Zweifeln aufhören. Sofort!
    Dass sie etwas Böses waren, die sogenannten „Wächter der Nacht“, war ihm rasch klar geworden. Böse, aber notwendig. Feuer, um Feuer zu bekämpfen.
    Bislang hatte er sich eingeredet, dass es Gut und Böse ohne einander gar nicht geben konnte. So schlecht konnte er demnach nicht sein. Und so war er, ohne Verbitterung zu verspüren, gewesen , was er sein musste: ein Dieb. Nun würde er also auf ewig ein Dieb bleiben. Es irritierte ihn, dass ihm der Gedanke nicht einmal mehr zuwider war. Es war ihm fast schon egal. War es nicht alles egal? Was waren sie mehr als kleine, erbärmliche Kreaturen? Die Welt eierte lethargisch im Universum herum und interessierte sich nicht für Einzelne. Für ihn schon gar nicht. Er sollte es ebenso machen und alles an sich abperlen lassen wie Wasser von blank poliertem Stein. Leider war dies aller Logik zum Trotz nicht so einfach.
    Er bemühte sich nach Kräften, aber er wurde nun mal kein Stein.
    Kein Frieden nach dem Tod. Das war der Preis für die ewige Jugend, hinter der die dummen Menschen her waren. Wenn sein unsterbliches Leben irgendwann enden sollte, würde er sich unter jenen wiederfinden, die er selbst in die Hölle geschickt hatte. In irgendeinem körperlosen Zwischending zwischen Leben und Tod. Dort würde er bleiben. Für immer.
    Das war Unsterblichkeit. Nicht ein Hintern ohne Falten, und nicht das lächerliche körperliche Leben, das früher oder später in jedem Fall enden musste.
    Aber gut, so war es nun. Dann musste er halt darauf achten, nicht zu sterben.
    Weitere Probleme verlangten nach kurzfristigen Lösungen. Junias könnte bald als sein Zwillingsbruder durchgehen, wenig später als der Ältere. Der Kleine würde sich sonst was drauf einbilden. Trotz allem Elend erheiterte Jamian dieser Gedanke. Dass die Gefühle zu seinem Bruder sich nicht geändert hatten, erleichterte ihn. Eben noch hatte er nichts als Gleichgültigkeit gespürt und dies unter Zorn vor Junias verborgen, aus Angst, er würde ihn durchschauen. Tröstlich, dass doch mehr zurückgeblieben war als Leere. An der Liebe zu

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