Stolen Mortality
Schulter zog. Rasch hielt er ihr den Mund zu. Er schob den Ärmel der kurzen Bluse mit der freien Hand höher und umfasste ihren nackten Oberarm. Die Frau versuchte, sich loszureißen und schlug nach ihm. Die Kraft, die sie dazu aufbrachte, war genau das, was er wollte. Er hätte sie mit einem einzigen Gedanken beruhigen können – so wie er es immer tat. Aber heute – nur dieses eine Mal – wollte er die ganze, kämpfende Lebenskraft eines Menschen in dessen Prana glühen spüren.
Nur ein einziges Mal brauchte er Gewissheit, dass der Überlebenswille eines Menschen stärker war als vampirisches Gift.
Es floss nicht wie sonst in ihn über. Nein, es jagte durch seinen Körper, brandete in seinen Kopf, presste sich in jede Faser, als woll t e es sie zum Bersten bringen. Jamian stöhnte leise vor erleichterndem Schmerz. Viel zu schnell ließ das Rauschen wieder nach, als die Frau aufgeben wollte.
„Willst du sterben?“, flüsterte er in ihr Ohr. Unter seiner Hand ertönte ein Wimmern. „Nicht? Dann kämpf verdammt noch mal um dein Leben!“
Noch einmal nahm sie allen Mut zusammen und bemühte sich verzweifelt, ihn von sich zu stoßen. Sie trat nach ihm und versuchte, gegen ihn anzukommen. Kurz ließ er ihr den Eindruck, eine Chance zur Flucht zu haben, nur damit die Hoffnung ihre Kräfte antrieb. Noch einmal spürte er den Rausch, den euphorischen Fluss ihres Lebens sowie ihres Willens in ihm. Dann gab ihr Körper auf. Sie sackte zusammen und rutschte ohnmächtig an der Betonwand zu Boden.
Ihr Kampf war zu Ende. Jamian kämpfte weiter. Er wollte nicht aufhören, nicht jetzt, nicht in diesem Moment. Mehr, es schrie manisch in ihm nach mehr. Er brauchte so viel mehr!
Es verwunderte ihn, dass er sich dennoch von ihr löste. Er ließ sie an die Mauern gelehnt zurück, vermied es, sie anzusehen und floh zu seinem Auto.
Sie würde sich erinnern, auch wenn sie natürlich nicht verstand, was er mit ihr gemacht hatte. Mit schrecklichen Kopfschmerzen würde sie erwachen und nur wissen, dass er sie festgehalten und bedroht hatte. Mehr nicht. Aber das allein reichte aus, um zumindest die Polizei auf den Plan zu rufen. Das wiederum würde zu Stress mit dem Senat führen und darauf hatte er absolut keinen Nerv.
Verdammt, war es das wert gewesen?
Der brennende Schmerz in seinem Körper gab ihn nicht frei, aber zumindest seine Kraft war vollständig regeneriert. Mehr noch, sie prickelte wie Champagner in seinen Muskeln; verlangte, genutzt zu werden. Er konnte spüren, dass seine Augen in hellem Braun leuchteten wie die von Tieren.
Die Scham vor der Angst dieser Frau – Angst vor ihm – überkam ihn nur kurz, ehe er sie wieder in eine Ecke seines Kopfs drängte, die in finsterer Stille lag. Sein Verlies für Gedanken, die ihm gefährlich werden konnten; der Ort, an dem er sie sicher einsperren und vergessen konnte. Sollte sie dort verrotten!
In derselben Parkbucht wie zuvor wartete er auf die Blonde. Nur ein wenig Ablenkung, ein bisschen Spaß und ein paar Stunden des Vergessens, mehr wollte er nicht von ihr.
Doch während er wartete, erschienen, wenn er blinzelte, andere Konturen vor den Innenseiten seiner Lider. Nur schemenhaft, im Licht sogleich wieder verschwunden. Er dachte an das finstere Mädchen, an diese Laine und fragte sich, wo sie sein mochte. Dumme Frage. Vermutlich hatte sie keine Lust, sich ihre kühle Haut von der Vormittagssonne eines strahlenden Junitages versengen zu lassen, und hielt sich im Dunkeln auf. Er hoffte es zumindest und beschloss, in dieser Nacht Glen Mertha, sowie die Gegend um die kleine Stadt herum, besonders intensiv nach den drei Blutsaugern abzusuchen, die sie hatten töten wollen. Nicht, dass er verpflichtet war, sich einzumischen. Es gab keine Gesetze, die Vampiren untereinander das Töten verboten. Er wollte den Grund für dieses Gemetzel herausfinden. Ärgerlich, dass sein Handy kaputt war, ansonsten hätte er Petters oder einen seiner anderen Informanten angerufen. So musste er zunächst ein Neues kaufen. Verlorene Zeit, und etwas in ihm drängte zur Eile und wollte sofort handeln. Vampire wurden unleidig, wenn man sie tagsüber aus dem Schlaf riss, aber das war ihm egal. Sie waren generell ein unfreundliches Volk; phlegmatisch und an allem uninteressiert. Emotionen zeigten sie selten, wenn sie überhaupt welche besaßen, von ihrer Blutgier mal abgesehen. Sie waren unsterblich – das Leben langweilte sie.
Dieses finstere Mädchen war anders gewesen. Sie hatte Charme und
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