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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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könnte reißen.«
    »Ein Reißverschluss, der seinem Namen alle Ehre macht«, kommentierte Nore Brand trocken.
    Fritz Künzi schaute sie irritiert an, schien langsam zu begreifen, konnte sich jedoch nicht zu einem Lächeln überwinden.
    Was für ein humorloser Kerl, dachte sie. Aber wer Vögel beobachtete, brauchte nicht humorvoll zu sein. Wer Vögel beobachtete, war vielleicht selber ein komischer Vogel.
    Sie versuchte mit aller Kraft, nicht daran zu denken, dass sie in diesem Gefährt viele Kilometer talaufwärts fahren und mindestens eine Nacht darin verbringen musste.
    Fritz Künzi lächelte ihr aufmunternd zu.
    »Nore, das ist das reinste Abenteuer! So ein Bus ist das wahre Wunder!«, raunte ihr Nino Zoppa begeistert zu. »Du wirst sehen!«
    Abenteuer, ja, wer zweifelte jetzt noch daran?
    »Nur noch etwas Kleines zum Schluss«, erklärte Fritz Künzi eifrig. »Der Rückwärtsgang hat seine Launen. Aber wenn man den Hebel mit einem ganz kleinen Zwick nach unten drückt, dann schnappt er ein.«
    Er schwang sich auf den Fahrersitz für eine weitere kleine Demonstration.
    Der Motor begann zu tuckern, Fritz Künzi vollführte seinen Zaubertrick für den Rückwärtsgang, und nach einem Ruckeln und Zucken im Getriebe ließ er die Kupplung sachte los und der Bus machte einen kleinen Rückwärtshüpfer.
    »Sehr ihr? So leicht geht das. Mit ein wenig Feingefühl.«
    Nore Brand lächelte ihm widerwillig zu. In Tat und Wahrheit war sie erschüttert.
    Doch Nino Zoppa hatte längst erkannt, welche Ehre dieser Mann ihnen erwies. Er überließ ihnen seine einzige wahre Lebensgefährtin. Elsi Klopfenstein würde immer die Nummer 3 bleiben in diesem Männerleben; seine tiefste und wahrste Zartheit bewahrte er sich für diesen Bus. Und für die Vogelwelt. Für Elsi Klopfenstein blieb nur noch Rang drei. Immerhin stand sie auf dem Medaillen-Treppchen im Herzen dieses Mannes.
    Nino hatte sich überschwänglich bei ihm bedankt, so sehr, dass Nore Brand sich schämte dafür, dass sie überhaupt nicht in der Lage war, zu einem Höhenflug der Dankbarkeit anzusetzen.
     
    Doch die Fahrt ins Tal hinauf hatten sie heil überstanden. Es hatte sich nett angefühlt, so etwa wie eine Fahrt auf einem alten Sofa mit Heckmotor sich anfühlen musste.
    Nino jubelte auch noch, nachdem sich der Scheibenwischer selbstständig gemacht hatte, Scheibenwaschflüssigkeit sich schäumend aus einem defekten Schlauch unter dem Lenkrad befreite und auf seine neue Markenjeans und seine kostbaren Basketballschuhe tropfte und beides sich nicht ändern ließ.
    Er schien wild entschlossen, sich seine Freude nicht verderben zu lassen.
    »Nore«, sagte er mit vor Erregung heiserer Stimme, »das ist so cool! Schau mal diese Aussicht vom Führerstand aus!«
    Nore Brand schaute besorgt zu der Stelle, wo sie die Sicherungen vermutete. Was würde geschehen, wenn die Scheibenwaschflüssigkeit ihren Weg in die sensible Elektrik fand?
    Vielleicht war dies dann der Moment, sich an ihre Kindergebete zu erinnern.
     
    Nore Brand stand auf dem Campingplatz Seegarten und schaute sich um. Nicht zu weit von den sanitären Anlagen. Sie verspürte nicht die geringste Lust auf lange nächtliche Irrwanderungen.
    Nino hatte ihre Anweisungen ohne Widerrede befolgt.
    Es gelang ihm, den Bus ohne Rückwärtsgang zu parken. Dann sprang er vom Führersitz und warf die Türe zu.
    »Die Formalitäten erledige ich, du kannst uns schon mal einen Kaffee vorbereiten.«
    Mit federnden Schritten eilte er an ihr vorbei Richtung Campingverwaltung.
    Eine Frau in dicker Daunenjacke und Pelzmütze schaute neugierig aus einem der teuren Wohnmobile heraus.
    Ihr Blick war vielsagend.
    Nore Brand holte eine Zigarette hervor und bemühte sich um die Gestik von bestimmten französischen Filmschauspielerinnen in ganz bestimmten Situationen. Man durfte die Fantasie der Menschheit ab und zu schon ein bisschen ankurbeln. So viel Mitgefühl konnte man sich leisten.
     
    Nino war noch vor dem Ende ihrer Zigarette wieder zurück.
    Und Nore Brand musste sich widerwillig eingestehen, dass dieser Bus gemütlich war. Für den Augenblick.
    »Hast du diese Frau gesehen, im Wohnmobil gegenüber?«
    »Die mit der Pelzmütze?«
    »Ja.«
    Fritz Künzi hatte wirklich an alles gedacht. Kaffeepulver, Zucker, Bouillon, Suppen, Schokolade.
    Nino Zoppa stellte die Tasse zurück und grinste.
    »Ich vermute, dass wir wie ein ausgerissenes Pärchen wirken.«
    »Und was soll daran so komisch sein?«
    »Du natürlich!«, platzte es aus

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