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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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tatsächlich aus dem Ruder?
    Oder handelte es sich um einen Fehlalarm?
    Falls der Direktor ermordet worden war, bestand immer noch die Möglichkeit, dass es sich um eine kleine, wenn auch tödliche Privatsache handelte. Solche Dinge passierten sehr häufig. Morde ließen sich in den meisten Fällen auf private Tragödien zurückführen.
    Dass niemand erfahren sollte, wo der Direktor abgestürzt war, konnte ganz lächerliche Gründe haben. Irgendeine Peinlichkeit, die man aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verschwieg.
     
    Der ›Schönheitssalon Isabelle‹ war erstaunlich nüchtern gehalten. Wie eine moderne Klinik.
    Eine strahlende junge Frau empfing sie. Das weiße Schildchen über ihrem Busen war mit geschwungenen goldenen Buchstaben beschriftet: Isabelle.
    Was denn sonst.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Nore Brand erkundigte sich, ob sie Zeit hätte für eine Gesichtsbehandlung.
    »Ihr Name, bitte?«
    In solchen Fällen gab Nore Brand den Namen ihrer sizilianischen Tante an. Sie wäre ohne jeden Zweifel sehr stolz auf ihre Nichte, die ihr Leben mit der Jagd nach Ganoven verbrachte.
    »Eleonora Fonte.«
    »Eleonora Fonte«, wiederholte Isabelle, »so geschrieben, wie man es sagt?«
    Nore Brand musste sich beherrschen. Gab es irgendeine Möglichkeit, diesen Namen anders zu schreiben?
    »Ich vermute, ja.«
    Isabelle belohnte das Scherzchen mit einem herzlichen Lachen und beugte sich über das strahlendweiße Notebook.
    »Dann werden wir das gleich haben! Es ist sicher eine ganze Weile her, seit Sie zum letzten Mal bei uns waren, nicht wahr?«
    Nore nickte stoisch.
    »Dann müssen Sie bei meiner Vorgängerin gewesen sein.«
    »Ja, es ist länger her, ich kann mir solche Sachen nie merken«, sagte Nore Brand vage. »Ich habe das eine oder andere Mal hier oben meine Ferien verbracht.« Sie räusperte sich. Das war eine kleine Ungenauigkeit, nur Grobiane würden es Lüge nennen.
    Isabelle beugte sich über den Tisch und musterte die Gesichtshaut der Kommissarin mit analytischem Blick. »Lassen Sie mal sehen! Oh, ja. Das ist tatsächlich länger her.« Sie kniff ihre Augen zusammen. »Ja, wir sind sozusagen in einer reiferen Phase«, erklärte sie mit einem Unterton, den Nore Brand nicht weiter ergründen wollte, »die Haut sollte jetzt nicht vernachlässigt werden. Es gibt eine Kur, die alle vierzehn Tage angewendet werden sollte, damit sich die Haut wieder aufbauen kann.«
    Wir!, echote es in Nore Brand. Dieses unsägliche Wir! In einer reiferen Phase!
    Das hatte die Wirkung eines geraden Schlages mitten in ihre Magengrube. Ausgeführt von Sonny Liston im Vollbesitz seiner boxerischen Schlagkraft.
    Sie schluckte leer. »Alle vierzehn Tage?«
    Im nächsten Satz würde Isabelle erklären, dass sie im nächsten Jahr jeden Tag herkommen müsse. Da konnte Eleonora Fonte gleich eine private Kabine mieten, für die notwendige Dauerpflege.
    Oh, das hier würde die reine Tortur werden.
    »Wenn Sie ein optimales Resultat haben wollen, dann müssen Sie schon Prioritäten setzen«, meinte Isabelle. Sie lachte nicht.
    »Es ist auch kein Leben, wenn man allzu früh aussieht wie ein Haufen Dörrobst.«
    Diese Frau vor ihr war nicht zimperlich, sie war gnadenlos und brutal. Sonny Listons rechte Faust in der Magengrube war eine Streicheleinheit dagegen.
    Isabelle packte ein paar Tuben und Fläschchen zusammen und bat Eleonora Fonte, ihr zu folgen.
    »Heute nehme ich mir alle Zeit für Sie!«
    Klar. Zwischensaison. Isabelle hatte Zeit und sie würde alles geben, was sie zu bieten hatte.
    Nore Brand musste da hindurch. Die Hoffnung auf die eine oder andere Information hielt sie aufrecht. Sie folgte Isabelle, schaute ihr zu, wie sie frische Tücher auf dem Behandlungsstuhl auslegte.
    »Mit diesen Dingen ist nicht zu spaßen, das sind wir unseren Mitmenschen schuldig.«
    Nore Brand fühlte, wie der Adrenalinspiegel in ihr weiter anstieg, aber sie würde die Prozedur über sich ergehen lassen, vielleicht mit der Zeit sogar gleichmütig. Man konnte sich an jede Situation gewöhnen, und irgendwann würde sie die Fragen stellen können, die sie hierhergeführt hatten.
    Sie musste sich ein bisschen vertraut machen mit Isabelle.
    »Nur kommen uns unsere Mitmenschen meist nicht so nah wie Sie, um alle unsere Schönheitsfehlerchen zu entdecken.«
    Isabelle reagierte nicht. Sie hatte sich über ihre Arbeit gebeugt, das heißt, über das Gesicht ihrer Klientin, und dazu ihre Stirn in Falten gelegt. »Da entstehen langsam Liegefalten.« Sie

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