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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Brand nie ins Tal hinaufbitten, wenn es nicht um sehr viel gehen würde. Bucher rief nur, wenn er einen wahren Grund dazu hatte.
    Sie nahm den Brief wieder heraus und überflog die Zeilen nochmals. Für Bucher war das allerhand. Seine Worte waren das reinste, das inständigste Flehen, auf Knien, für seine Begriffe.
     
    Wünsche doch sehr, dass Sie baldmöglichst an die Lenk kommen würden! Hochachtungsvoll, Ihr Kollege Bucher.
     
    Sie steckte den Zettel in den Briefumschlag zurück.
    »Und wie stellt ihr euch das vor?«
    Fritz Künzi räusperte sich. »Also, wir hätten da eine Idee. Elsi und ich haben die Sache etwas vorbereitet. Das Problem ist, dass jeder Sie kennt. Aber Sie dürfen nicht auffallen, wenn Sie wieder ermitteln. Der Mörder soll sich in Sicherheit wiegen, oder? Das ist sehr wichtig. Sie könnten ein paar Tage auf dem Campingplatz Seegarten verbringen. Oder, wenn Sie lieber möchten, auf der Hasenweid. Vom Seegarten aus haben Sie zwar den besseren Überblick und dort kennt Sie ja keiner.«
    »Wie bitte? Ich soll campieren? In einem Zelt?«
    Mit 45 Jahren und einem Rücken, der sich wie mindestens dreimal so alt anfühlte? Nein, das kam gar nicht infrage!
    »Nein, nein«, beeilte sich Fritz Künzi zu sagen. »Im November geht das natürlich nicht mehr. Wir haben auch daran gedacht. Ich habe einen Bus für Sie.«
    »Einen Bus?«, wiederholte Nino Zoppa interessiert. »Was denn für einen Bus?«
    »Oh, es ist ein älteres Modell. Ein neues liegt nicht drin bei meiner Rente. Aber es ist ein VW und funktioniert immer noch wunderbar, so wie das eben nur bei einem VW möglich ist. Der Motor wird mich um viele Jahre überleben, das ist so sicher wie der Donner nach dem Blitz. Ich würde ihn gerne für ein paar Tage zur Verfügung stellen. Elsi war der Meinung …«
    Nun lag Nino Zoppa quer über dem Tisch.
    »Welcher Jahrgang?«
    Fritz Künzi wurde etwas verlegen. »1934«, sagte er.
    »Damals hat VW aber noch längst keine Busse produziert!«, warf Nino Zoppa ein.
    »Oh, entschuldigen Sie. Ich meinte, Sie wollten meinen Jahrgang wissen«, lachte Fritz Künzi verlegen. »Nein, mein VW-Bus ist Jahrgang 1972. Es ist ein T2-Transporter. Ich habe ihn etwas umgebaut …«
    Nino Zoppa packte Nore Brand um die Schultern. »Nore, ich will auch mit!«
    »Wer sagt denn, dass ich gehen will?«
    Drei Augenpaare waren flehend auf Nore Brand gerichtet.
    Der Kelch ging nicht vorüber. Was hatte sie sich nur gedacht.
    Aber warum wusste niemand, wo der Direktor abgestürzt war? Warum musste das verheimlicht werden? War er etwa zu neugierig geworden? Vor allem: Wenn mit dem Absturz etwas nicht ganz koscher war, warum hatte sein Jugendfreund, ihr Chef, ihn nicht beschützen können? Das war ihm bisher doch ganz gut gelungen.
    Sie sah, wie Ninos Augen zu leuchten begannen.
    Er deutete ihr Zögern richtig. Nore Brand war dabei, Lunte zu riechen.
    Er hatte eine Mission und dafür stand ein VW-Bus zur Verfügung.
    Ein T2!
    Nore Brand begann, ihre Jacke zuzuknöpfen. Blaubart konnte seine Messer schleifen. Sie wusste, dass sie einen Schlüssel zu diesem Fall besaß. Sie musste nur ausprobieren, ob es der richtige war.
    »Richten Sie Bucher einen freundlichen Gruß aus und sagen Sie ihm, dass ich es mir überlege.«
     
    Wenige Minuten später stand Nore Brand wieder auf der Gasse. Allein. Sie drehte sich kurz um. Nino begleitete die beiden Gäste aus dem Simmental zum Bahnhof. Sie sah den Hinterkopf von Nino und die schauerlich grüne Turbanmütze von Elsi Klopfenstein.
    Es war also doch kein Spuk gewesen.
    Nore Brand wehrte sich nicht mehr. Die Menschenmenge nahm sie auf und zog sie mit sich, eine endlose Schlange in der kalten, eingenebelten Stadt, eine Schlange ohne Anfang und ohne Ende.

Camping Seegarten
     
    »Ist dir auch schon aufgefallen, dass wir dauernd Mörder suchen, die Spaziergänger getötet haben?«
    Nore Brand stellte das Autoradio leiser. Sie wusste nicht, ob sie sich von der umwerfend guten Laune des jugendlichen Radiomoderators anstecken lassen wollte oder nicht. Sie hatte ihre Ferien abgebrochen. Sie hatte Strafaufgaben bekommen. Unter den ›Fall Klara Ehrsam‹ hatte jemand ›Schlampige Arbeit‹ hingeschrieben, mit roter Tinte und doppelten Ausrufezeichen.
    Nino Zoppa strahlte vor sich hin.
    »Ist es so? Werden andauernd Spaziergänger umgebracht?«
    Nino Zoppa nickte. »Das ist mir eben so durch den Kopf gegangen.«
    »Du bist ja schon richtig ausgeschlafen. Es spazieren aber auch ungeheuer viele

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