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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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unterwegs und war auf Staatsschutz angewiesen?
    Der Zug hielt in Haarlem an.
    Früher oder später kamen immer Seilschaften ins Spiel. Sie waren immer erst zu sehen, wenn die Strecke gefährlich wurde, die Pfade eng, wenn sich Abgründe auftaten und der Erste abstürzte.
    Seilschaften überzogen die Welt wie ein ungesundes Koordinatensystem. Diese Erkenntnis hatte ihr Denken von Grund auf verändert und die innerliche Sehkraft verbessert.
     
    Zwanzig Minuten später verließ sie den Bahnhof. Sie fand den Weg an den Bretterwänden der Baustellen vorbei in die Stadt.
    Sie hatte die Zeit gut geplant. Sie ging zu Fuß. Das würde sie wach halten. Sie hatte die gute Richtung eingeschlagen, am Ende des Weges saß Plodowski und wartete auf sie.
    Plötzlich befand sie sich auf einem Markt. Sie ging an Marktständen vorbei. Das hatte sie doch schon einmal gehabt in dieser Woche. Ein paar Hundert Kilometer weiter südlich und mittlerweile sehr weit zurück in ihrer Vergangenheit.
    Kiloweise Blumenzwiebeln zu Spottpreisen. Billige Porzellanfigürchen, Amsterdamer Porzellanhäuschen. Made in China. Erwartungsvolle Blicke der Standbesitzer trafen sie. Sie schüttelte lächelnd den Kopf und ging weiter.
    Sie schaute auf die Uhr. Die Zeit verging schnell in dieser windigen Stadt. Der Wind schien hier auch die Zeit anzutreiben. Sie ging rascher voran, die Zeit im Gesause der Drehorgeln, zwischen dem Scheppern der Geldbecher der Drehorgelleute, dem lockenden Rufen der Tulpenverkäufer.
     
    Ihre Augen brauchten eine Weile, bis sie sich an die Dunkelheit im Café ›De Knijp‹ gewöhnt hatten. K-N-I-J-P, hörte sie Plodowski buchstabieren.
    Die Wände waren über und über behängt mit Bildern in dicken Rahmen, alten Fotografien, Postern von Ausstellungen, auf den Tischen zerlesene Zeitungen, Stühle, die alle schon bessere Zeiten gesehen hatten, verstaubte Zimmerpflanzen.
    Ein Quartiercafé.
    Knijp hieß vermutlich einfach Kneipe.
    Zwei Männer standen hinter der Bar. Beide mit zurückgerollten Ärmeln und längst im Pensionsalter. Sie hatten den neuen Gast gleichzeitig zur Kenntnis genommen, ohne dies zu zeigen. Das gehörte dazu.
    Nore Brand setzte sich ans Fenster. Sie sah auf eine Brücke.
    An jeder Brücke mit schweren Eisenketten gesicherte Fahrräder. Amsterdam, die Stadt der gefesselten Fahrräder. Die waren nicht zu stehlen, für den eiligen Dieb sicher nicht. Man musste sie schon in Einzelteile zerlegen.
    Der dickere der beiden Männer hatte ihre Bestellung entgegengenommen.
    Die Milch der holländischen Kühe hatte definitiv einen anderen Geschmack. Süßer und fetter.
    In ein paar Minuten würde Plodowski ihr endlich gegenübersitzen. Sie würde ihn nach Klara Ehrsam befragen. Sie würde so fragen, dass er sich in Sicherheit wähnen konnte. Sie würde ihm von ihrem Schweigen erzählen, mit dem sie den Lebenstraum einer Fremden zu ihrem eigenen gemacht hatte.
    Inzwischen rechnete sie damit, dass die rote Klara jemandem auf den Leim gegangen war. Ihm?
    Hatte er gewusst, dass Klara ihn nochmals besuchen wollte?
    Ihre Gedanken drehten sich in einem elenden Teufelskreis. Plodowski würde sie aus diesem Kreis erlösen. Sie warf einen Blick auf die Standuhr neben der Bar. Warum kam er nicht?
    Sie bestellte sich eine zweite Tasse Kaffee.
    Ihr Notizbüchlein hatte nicht mehr viele leere Seiten. Es war Zeit, dass die Sache ihrem Ende entgegenging.
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Kurz vor fünf.
    Dann fünf.
    Natürlich war etwas passiert. Sie schlug das Büchlein zu und steckte es in die Jackentasche zurück. Plodowski schien ihr auf einmal weniger verdächtig als je zuvor.
    Eine Viertelstunde später beschloss sie zu gehen.
    Als sie die Eingangstür ihres Hotels aufstieß, sah sie Nino Zoppa in einem der alten Ledersessel hängen. Er lächelte und winkte ihr mit fahrigen Handbewegungen zu. Du lieber Himmel!
    Der Hotelier war nicht da. An seiner Stelle saß ein junger dunkler Mann hinter dem Monitor. Er schaute auf, machte eine Kopfbewegung zu Nino Zoppa und grinste breit.
    Auch hier war etwas ganz falsch gelaufen.
    Sie beugte sich über Nino und suchte seine Augen.
    »Nino, musste das sein?«
    Nino Zoppa kicherte. »Ich war in einem Gemüseladen. Abraxas heißt der und die haben ganz feines Grünzeug. Garantiert biologisch.«
    »Du hast gekifft! Findest du das schlau?«
    Er kicherte. »Du hast gemeint, ich soll mich entspannen. Das habe ich getan. In dieser Stadt ist das ganz leicht. Jetzt bin ich entspannt wie noch nie in

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