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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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meinem Leben. War doch höchste Zeit, oder?«
    »Komm, du kannst nicht hierbleiben.«
    »Es ist ganz nett hier.«
    »Nein, ich bringe dich hinauf.«
    »Wir haben uns ganz gut unterhalten! Oder?« Nino winkte dem Mann am Empfang zu. »Ich bleibe gern in diesem Sessel. Er ist weich und gemütlich. Aber wenn du mir unbedingt helfen willst …«
    Er versuchte, auf die Beine zu kommen. »Stell dir vor, ich fand die Tür zum Hotel fast nicht. Das heißt, ich sah sie die ganze Zeit, aber weil das Hotel so schief steht, musste ich mich schief stellen, um eintreten zu können.«
    Er kicherte.
    Sie zog ihn auf.
    »Abraxas hat eine tolle Menukarte. Unglaublich, was die für Gerichte anbieten! Für jede Lebenslage etwas, sagte der Mann an der Bar. Für absolut jede Lebenslage! Geile Sache, sag ich dir.«
    Sie schob ihn zur Treppe.
    »Nur dass dann alles verdammt viel schiefer ist als vorher, das hat mir dieser Kerl nicht mitgeteilt. Wäre doch im Preis inbegriffen!« Er lachte wirr. »Aber vielleicht ist alles wirklich so schief, die ganze Welt, und man tut nur so, als ob alles ganz anders wäre. Die Wahrheit ist, glaub ich, in Wahrheit ganz anders. Was meinst du?«
    »Schweig jetzt und konzentriere dich ein bisschen. Tragen kann ich dich nicht.«
    Er kicherte.
    »Du mich tragen? Warum nicht. Das wäre mal etwas Neues.«
    »Vergiss es!«
    Sie zog seinen Arm über ihre Schulter.
    Er schaute die Treppe hoch.
    »Sehr steil und unverschämt schief. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
    »Jetzt aber los!«, befahl sie.
    »Ich kann aber nicht, Nore. Hast du das noch nicht gemerkt? Diese Stadt ist schief. Alles ist hier schief. Sogar meine Beine fühlen sich megaschief an. Hast du gewusst, dass diese Stadt auf Pfählen steht?«
    »Ja, natürlich. Das steht im Reiseführer.«
    »Und du hast es gewagt, hierherzukommen? Diese Pfähle sind uralt. Was, wenn die heute zusammenbrechen? Das wäre doch möglich.«
    Schwankend ging er neben ihr die Treppe hoch, Stufe für Stufe, und hielt sich mit der freien Hand krampfhaft am Geländer fest.
    Dass dieser dumme Kerl ausgerechnet jetzt kiffen musste! Warum hatte sie nicht daran gedacht. Sie hätte ihn besser mitgenommen. An die eisige Nordsee.
    »Nore, sag mir, was ist, wenn diese Pfähle heute Nacht zusammenbrechen. Einmal geht doch alles kaputt auf dieser Welt. Oder?«
    Oben angekommen, steuerten sie auf sein Zimmer zu.
    »Hier, nimm den Schlüssel, bitte, Nore. Ich glaube, ich kann das heute nicht allein. Wetten, dass sich auch das Schlüsselloch schief stellt, um mich zu nerven?«
    Er ließ sich auf sein Bett fallen. Nore zog ihm die Schuhe aus.
    Dann öffnete er die Augen. »Nore, das Bett ist auch schief! Siehst du? Meine Füße sind oben! Und mein Kopf unten. Bald hab ich alles Blut im Kopf.«
    Sie setzte sich auf den Bettrand.
    »Was erzählst du da für einen Unsinn! Das Bett steht ganz normal.«
    »Dann liegt’s an dem verdammten Amsterdamer Gemüse. Abraxas heißt der Typ. Komisch, nicht? Schräger Vogel, schräge Stadt, schräges Bett«, er zog das Kissen über sein Gesicht. Sein Kichern erstickte darunter. Dann warf er es zur Seite. Seine Stimmung schien auf einen Schlag verändert.
    »Nore, ich kann hier nicht schlafen. Dieses Bett ist so schief, dass mir schlecht wird davon! Und die ganze Stadt steht auf uralten Holzpfählen, das finde ich nicht vertrauenerweckend. Ich will nach Hause!«
    Nore hatte sich vor das Fenster gestellt und schaute auf den Kanal.
    Was taten sie hier und worauf warteten sie?
    Hier gab’s keine Antwort auf ihre Fragen, hatte Plodowski gemeint und er schien das genau zu wissen.
    Sie war von der Kneipe direkt zum Museum geeilt, doch die Tore waren schon geschlossen. Vielleicht hatte er sie schlicht und einfach vergessen. Ein Mann, der Treffen plant mit Königskindern, dem würde die Kommissarin aus Bern leicht aus dem Bewusstsein fallen.
    Sie legte ihre Stirn an die kalte Fensterscheibe. Hoffentlich hatte er sie nur vergessen.
    Die Nacht hatte sich über die Stadt gelegt und das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich im dunklen Kanalwasser.
    »Nore, vielleicht ist dein Bett weniger schief. Ich …«
    »Nein.«
    Sie drehte sich zu ihm.
    »In deinem Zustand ist jedes Bett zu schief für dich. Schlaf jetzt.«
    Nino ächzte.
    »Du verstehst mich nicht. Das war kein unsittlicher Antrag, Nore, glaub mir. Es ist nur das Bett, nicht du.«
    »Unsittlicher Antrag? Du hast manchmal eine Art, dich auszudrücken!«
    »Das gefällt Frauen, die Wert auf Stil legen.«

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