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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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sein und er würde ihn zur Kaverne fahren.
    Er rannte die Treppe hoch.
    In der Gaststube saß Polizist Bucher. Am gleichen Tisch Elsi Klopfenstein und neben ihr der Ornithologe von Zweisimmen.
    »Bucher!«, schrie er durch den Saal. Seine Stimme überschlug sich. »Haben Sie Nore Brand gesehen?«
    Polizist Bucher drehte sich langsam um. »Wo kommst du denn her? Wir warten seit zwei Tagen auf euch!«
    »Frau Brand ist nicht da. Hene war gestern Abend bei mir. Es scheint ihm langsam ungemütlich zu werden«, fuhr Elsi Klopfenstein vorwurfsvoll dazwischen.
    Polizist Bucher wuchtete seinen Rucksack auf den Tisch und öffnete ihn. Er holte einen Gipsabdruck hervor und legte ihn mitten auf den Tisch.
    »Da!«, rief er. »Frau Brand wird sich freuen!«
    »Was ist das?«, fragte Elsi Klopfenstein neugierig.
    »So hört mir doch zu! Wo ist Nore?«, rief Nino Zoppa verzweifelt in den Raum.
    »Moment, Moment! Bis jetzt hat es auch nicht pressiert!«, wies ihn Bucher zurecht. Er richtete sich auf seinem Stuhl auf und wies mit dem Zeigefinger triumphierend auf den Abdruck. »Das hier ist der Beweis, dass der feine Empfangsmann vom Belvedere seinen Chef, den Hoteldirektor, auf seinem letzten Spaziergang begleitet hat.« Er schaute erwartungsvoll in die Runde. »Wenn mich nicht alles täuscht, ist er der Mörder.«
    Fritz Künzi kicherte. »Dieser feine Pinkel? Das glaub ich nicht.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Und warum sagst das erst jetzt?«, rief Elsi Klopfenstein.
    »Ich brauche den Bus!«, schrie Nino dazwischen. »Ich muss sofort zum Flugplatz! Nore ist in Lebensgefahr!«
    Elsi warf sich in die Brust. »He! Warum sagst du das nicht sofort? Kommt, wir gehen am besten alle zusammen. Der Kleine gibt sonst keine Ruhe mehr heute. So schlimm wird’s kaum werden. Hene, mein Neffe, überwacht dort alles und er ist schließlich kein Zwerg!«
     
    Draußen schaute Elsi Klopfenstein zum Himmel und äußerte Bedenken. »Ob das klug ist, bei dem Schnee!«
    »Die paar Meter sollten möglich sein«, erklärte Fritz Künzi und wischte mit einem Besen den Schnee von seinem Bus.
    Kurz darauf brummte der Motor auf, wie ein Bär, den man vom Winterschlaf aufgeschreckt hatte.
    Künzi hatte seinen roten Bus wintertauglich gemacht. Die Schneeketten schlugen mit jeder Radumdrehung scheppernd auf die Innenseite der Kotflügel.
    Die kleinen Scheibenwischer kämpften verzweifelt gegen die Schneemassen an. Künzi hing über dem Steuerrad, die Nase fast an der Frontscheibe.
    »Schneller!«, rief Nino verzweifelt. »Wir müssen Nore helfen! Sie ist in Lebensgefahr!«
    Fritz Künzi gab ihm keine Antwort, seine ganze Aufmerksamkeit galt der weißen Fläche, die sich vor dem Bus ausbreitete.

Der geheime Stollen
     
    Hene Hari trottete mit hängenden Schultern voraus. Seine Schritte waren schwer und langsam. Wie ein Ochse, der zur Schlachtbank geführt wird, dachte Nore Brand.
    Sie spürte den Lauf der Pistole im Rücken. Auch ihre Schlachtbank lag im Inneren dieses Berges. Falls Hellers Pläne aufgingen. Sie versuchte verzweifelt, sich seinen Schritten anzupassen. Jeder Gegenschritt verursachte einen harten Schmerz unter dem linken Schulterblatt. Die scharfen Plastikkanten des Kabelbinders schnitten ihr bei jeder Bewegung in die Handgelenke; ihre Finger waren längst steif und gefühllos.
    Aus den verstaubten Neonröhren an der Decke zitterte gelbes Licht. Sie gingen an einer Schilderwand vorbei: Rettungsstation nach rechts, Kommando auch nach rechts. Schwarz auf gelb, wie die Schilder für die Wanderwege. Das war zynisch.
    Das Schild für den Notausgang wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Ja, natürlich, sie waren durch den Notausgang hereingekommen. Der geheime Teil des Stollens begann in der Felsenkaverne.
    Für die Sanität musste man rechts abbiegen. Nicht nur ihre Handgelenke waren mittlerweile ein Fall für die Sanität, doch diese Station war seit sehr langer Zeit unbesetzt.
    Sie gingen weiter. An einer Tür stand ›Funk‹. An der Wand daneben hing ein Telefon mit Wählscheibe, wie in einem alten Film. Die ewigen Rohre an der Decke. Endlose Belüftungsrohre. Dann wieder nackter Fels. Metalltüren links und rechts, die in weitere Stollen führten.
    Und überall Feuerlöscher. Die Hölle war ganz nah, dachte Nore Brand. Man schien Angst vor Feuer gehabt zu haben in diesem Berg. Vor dem Fegefeuer natürlich. Wer sich mit so vielen Waffen umgab, hatte Grund dazu. Oder war es die geheime Angst vor dem tödlichen Feuer, das

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