Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
Vom Netzwerk:
hinten zu horchen. Nore Brand atmete auf.
    Gelbe, runde Lampen hatten die Neonleuchten abgelöst. Das Licht war fahl.
    Auf einmal spürte Nore Brand Hellers Ungeduld.
    »Schneller!«, schrie er.
    Sie schaute links und rechts. Maschinenraum 1, Maschinenraum 2, Maschinenraum 3.
    »Was sind hier für Maschinen?«
    »Maschinen? Ihr möchtet wohl gerne wissen, was da drin ist!«, rief er höhnisch. »Leider darf ich keine Auskunft geben. Meine Kunden erwarten das von mir.«
    Hene Hari blieb einen Augenblick stehen und drehte sich um. Er war bleich und der Schweiß tropfte von seiner Stirn.
    »Diese Luft«, keuchte er, »die Ventilation bringt’s nicht mehr!«
    »Halt die Klappe!«, schrie Heller.
    Aber Hene Hari kümmerte sich nicht um Hellers Befehl. Er polterte einfach weiter.
    »Verdammt ungemütlich hier unten. Keine Mäuse, keine Ratten, das wundert mich nicht. Hier erstickt man ja.«
    Nore Brand zuckte zusammen und bekam einen Hustenanfall.
    Mäuse!? Alles, nur keine Mäuse!
    Da sah sie, wie Hene Hari in sich zusammensackte.
    »Hene! Was ist?«, rief sie und war mit einem Sprung bei ihm. Sie drückte ihre Schulter gegen seinen massigen Körper, um ihn zu stützen.
    »Verdammt, Frau Brand, lassen Sie sich endlich etwas einfallen! Ich will hier raus! Ich hasse diesen Stollen!«, zischte er in ihr Ohr. »He!«, brüllte Heller. »Jetzt wird nicht schlappgemacht!«
    Nore Brand drehte sich um. Sie spürte wieder den kalten Lauf der Waffe im Rücken.
    Dieser Kerl hier war doch die letzte Puppe, die immer hinfiel! Wenn das kein Omen gewesen war.
    Plötzlich hörte sie sich lachen.
    »Was ist?«, brüllte Heller.
    »Ich habe eben an ein Balalaika-Quintett gedacht«, sagte sie und lachte erneut. Sie musste ihre Stimme hören, ihr Lachen. Das half.
    »Balalaika-Quintett? Was soll dieser Unsinn! Drehst du jetzt auch noch durch?«, brüllte er.
    Durchdrehen? Nein, diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun. Sie hielt inne.
    Was hatte Heller eben gesagt? Nicht durchdrehen?
    Doch, genau das. Durchdrehen, das war die Lösung.
    Aber wie ging das?
    Sie musste probieren. Sie hatte keine Wahl.
    Sie hob ihre Augen und starrte Heller an.
    »Heller, ich muss hier sofort raus!«, flüsterte sie heftig keuchend. Sie griff sich an den Hals. »Ich habe Platzangst!«
    »Reiß dich zusammen! Geh weiter!«, brüllte Heller sie an.
    »Ich kann nicht mehr. Ich habe Platzangst!«, wiederholte sie mit erstickter Stimme. »Ich muss hier raus! Sofort! Ich bekomme keine Luft!« Sie brach vor ihm zusammen. »Meine Medikamente! Schnell! In meiner Tasche!«
    Sie sah, wie Heller sich fassungslos über sie beugte.
    In dem Augenblick holte Hene Hari mit seinem linken Bein zu einem mächtigen Schwung aus und traf Heller mitten im Gesicht.
    Heller ging ohne Ton zu Boden und blieb bewegungslos liegen.
    Nore Brand warf sich auf die Seite.
    Hellers Waffe!
    Sie griff mit klammen Fingern nach der Pistole. Ihre Hände zitterten. Sie würde keinen einzigen Schuss abgeben können!
    Hene ächzte erleichtert. »Endlich, Frau Brand!«
    »Der Kabelbinder muss weg. Heller hat mein Sackmesser! Schnell!«
    Heller lag zwischen ihnen und bewegte sich nicht.
    Nore Brand hielt den Lauf der Pistole auf Heller gerichtet und Hene Hari durchsuchte, so gut es mit seinen gefesselten Händen ging, Hellers Taschen.
    »Verdammt, meine Handgelenke tun weh!«
    »In der rechten Hosentasche! Dort, wo jeder sein Messer hat.«
    Hene Hari rollte Heller auf die Seite und fuhr in seine Hosentasche.
    »Ich hab’s!«, frohlockte er. »Und jetzt die Klinge. Aber ohne Fingernägel …«
    »Da, die Pistole! Ich habe Fingernägel!«
    Er nahm die Pistole ganz vorsichtig, hielt sie weit weg von sich und wandte sein Gesicht ab.
    Heller bewegte sich nicht. Es musste ein gewaltiger Schlag gewesen sein, der ihn gefällt hatte. Kein Wunder. Hene Hari hatte Baumstämme von Beinen.
    »Aber erschießen Sie mich nicht!«, rief sie ihm zu.
    Vorsichtig schnitt sie den Kabelbinder an seinen Handgelenken durch. Sie waren klebrig vom Blut.
    »Der Sauhund hat gnadenlos angezogen bei mir«, murmelte Hene Hari. Seine Hände zitterten.
    Dann war’s an ihm. Er befreite ihre Handgelenke mit einem Schnitt.
    In der Ferne war ein dumpfes Poltern zu hören.
    Sie zuckte zusammen. Aber das Poltern entfernte sich. Hatte sie das nicht schon in jener Nacht gehört?
    »Was war das?«, fragte sie.
    Hene Hari zuckte seine mächtigen Schultern.
    »Der Berg meldet sich manchmal mit diesem Knurren. Der ist nicht nur aus Stein. Er will

Weitere Kostenlose Bücher