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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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berührte seine Schulter meine.
    Schlagartig hatte ich das Gefühl, wie verrückt zu schwitzen. Wie oft hatte ich davon geträumt, mit Greg alleine zu sein, hatte mir tausende Male vorgestellt, wie es wäre, mit ihm sprechen zu können. Und nun saß er neben mir und ich brachte kein einziges Wort heraus. Wie so oft im Leben ist die Vorstellung von etwas größer als der Moment selbst, und alles, was man sich vorgenommen hat, zerrinnt augenblicklich wie weicher Sand zwischen den Fingern.
    Dann war Greg wohl fertig mit dem Stimmen, denn er klopfte den Takt mit der flachen Hand auf den Gitarrenkorpus und aus dem Summen wurde ein sanftes, leises Singen. Seine Hände glitten über die Saiten und ich konnte die Adern auf seinem Handrücken sehen. Er trug einen silbernen Ring am Daumen, und ich fragte mich, ob er wohl eine Bedeutung hatte.
    Greg spielte ein Liebeslied, das spürte ich sofort. Die Melodie erinnerte mich ein wenig an einen der langsamen Songs von Linkin Park, nur war dieser hier noch etwas softer. Mein Herz, das heute ohnehin den gesamten Tag durchraste, schlug nun so sehr gegen meine Brust, dass ich das Gefühl bekam, es würde gleich aus meinem Körper herausspringen.
    »… tausend Lichter in der Nacht, sie haben dich nicht wachgemacht …«
    Ich wunderte mich: Greg sang einen deutschen Songtext! Das hatte Crystal noch nie im Repertoire gehabt, zumindest nicht, soweit ich wusste, und ich saugte jede Silbe auf. Er benutzte nur wenige Saiten der Akustik-Gitarre, aber genau die richtigen. Seine Stimme hörte sich so wunderschön an, dass ich mich kaum traute zu atmen. Viel tiefer, männlicher und vor allem sehnsüchtiger als die von Tobi. Warum sang er nicht ab und zu bei Crystal? Diese Stimme durfte man dem Publikum doch nicht vorenthalten! Und zusätzlich konnte er auch noch texten! Gab es überhaupt irgendetwas, das dieser phänomenale Typ nicht konnte?
    Greg hielt inne. »Weiter bin ich noch nicht«, sagte er und sah mich nicht an dabei, sondern drehte weiter an den Wirbeln des Gitarrenkopfes. »Altes Teil, total verstimmt. Das war schlecht.«
    »Nein, ganz und gar nicht …«, platzte es aus mir heraus. Ich hatte meine Stimme wiedergefunden. »Es war absolut großartig! Die, ähm … Sätze, sie waren toll!«
    »Die Lyrics.«
    »Genau. Du schreibst selbst?«
    Greg nickte vage. Dabei fiel ihm eine Haarsträhne ins Gesicht, die er lässig wegpustete. Er saß so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Meine Lippen waren leicht geöffnet und ich stellte mir vor, dass winzige Staubpartikel seines Atems meinen Mund berührten. Gott, dieser Kerl rief psychotische Gedanken in mir hervor – ich musste schleunigst damit aufhören.
    Natürlich wusste ich nicht, warum er gerade mir seinen Song vorgespielt hatte. Vielleicht war es einfach nur ein Zufall, weil sonst niemand im Raum war und er den Erstbesten fragen wollte. Aber wer weiß, vielleicht hatte er auch wirklich mich gemeint.
    Jetzt sah Greg mich flüchtig an und unsere Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde – es war wie ein Blitz ohne Donner.
    Einige Sekunden tiefen Ausatmens später hatte ich so was Ähnliches wie meine Fassung wieder.
    »Ich frage mich, warum du nicht auch in der Band singst.«
    »Ach was …«, tat Greg mein Lob unbeeindruckt ab, »vergisses.«
    Er legte die Gitarre ab und stand mit einem Ruck auf. »Wieso?«, fragte ich und tat es ihm nach. Er war viel größer als ich, sicher zwanzig Zentimeter, ich musste regelrecht zu ihm aufsehen.
    »Ich bin Bassist, kein Sänger. Das war nur so ein Test.«
    »Aber es war gut«, versuchte ich es ein zweites Mal, »sehr gut sogar!«
    Ohne Erfolg, denn Greg antwortete mit einem müden Lächeln. »Für Amateure vielleicht. Nicht für die Bühne.«
    Er stand auf und ich dachte schon, er würde ohne ein weiteres Wort den Raum verlassen. Doch in der Tür drehte er sich noch mal um: »Behalt’s für dich.«
    Ich blieb enttäuscht zurück.
    Warum sagte er das? Er hatte eine beeindruckende Stimme, viel sonorer und männlicher als Tobi, und der Text hatte mich direkt berührt. Er schrieb und komponierte selbst und keiner wusste das anscheinend.
    Da stand ich und spürte eine bleierne Schwere. Wortlos folgte ich Greg. Am liebsten hätte ich noch mehr zu ihm gesagt, aber Greg hatte sich nun zu den anderen gestellt, die draußen rauchten. Verloren stand ich etwas außerhalb der Runde und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
    »Morgen geht’s los, Jungs!«, sagte Schleicher und hielt

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