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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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können, aufs Keyboard aber nicht?«
    Die Stimmung schien augenblicklich von Rat- und Fassungslosigkeit über Gereiztheit in Wut zu kippen.
    »Mann!«, ging Schleicher dazwischen, »jetzt ist nicht die Zeit für so einen Quatsch!«
    »Ach nein?« Abrupt trat Greg mit voller Kraft gegen den Keyboardständer, der mitsamt Keyboard zu kippen drohte. Lex konnte es in letzter Sekunde auffangen.
    »Zeit haben wir doch jetzt genug! Drei ganze Wochen sogar!« Gregs Frustration über Max’ Ausstieg war offensichtlich so schmerzhaft, dass keiner mehr ein Wort sagte.
    Und dann, in die Stille: »HmichweißhmeinehmLösung.«
    Vier Augenpaare waren schlagartig auf mich gerichtet.
    »Hä?«, fragte Tobi.
    »Ich … ich weiß vielleicht eine Lösung.«
    »Hahaha!« Tobi lachte so laut, dass es nach der Stille fast in den Ohren wehtat. »Habt ihr gehört, Leute? Der kleine Pumuckl hier von der Feuerwehr hat vielleicht eine Lösung!« Und in einem albernen Ton fügte er noch hinzu: »Die Feuerwehr, stets zu Ihren Diensten!« Dazu machte er einen übertriebenen Knicks.
    Die anderen lachten mit, wenn auch nur halbherzig. Es war ein Lachen der Schadenfreude, das gemein und hart klang.
    »Klar«, sagte Lex jetzt, der sich als Erster wieder eingekriegt hatte, »spiel du doch Keyboard! Uns fehlte sowieso immer die weibliche Note in der Band!«
    Wieder lachten alle laut los und der Kloß in meinem Hals, der seit Max’ Verschwinden und Tobis Spruch kontinuierlich wuchs, verdoppelte sich in Sekundenschnelle. Ich schrumpfte auf Daumengröße.
    Ich setzte ein zweites Mal an, aber den Kloß in meinem Hals bildete ich mir nicht nur ein, er war wirklich da. Räuspern hilft, dachte ich, verschafft Zeit. Also räusperte ich mich.
    »Ich, hhrrrm, weiß vielleicht jemanden, der euch helfen kann.«
    »Du weißt vielleicht jemanden?«, wiederholte Greg und sah mich mit einer tiefen Stirnfalte zwischen zwei erstaunten Augen an.
    »Ich meine, ich weiß jemanden, der euch vielleicht helfen kann.«
    »Wer soll das sein?«
    »Simon Nepomuk Sapfel.«
    »Was für’n Spunk?
    Es musste sein, denn ich wusste, dass kaum jemand seinen echten Namen kannte. Also: »Flocke.«
    »Haaaaahahaha!«
    Das Gebrüll war so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Die Jungs bogen sich vor Lachen, Schleicher hielt sich mit der einen Hand den Bauch und stützte sich mit der anderen auf das Keyboard, das ein zweites Mal drohte umzukippen. Tobi grölte immer wieder »Pumuckl! will! dass! wir! den! Dicken! mitnehmen!« in die Runde und musste nach jedem Wort Luft schnappen.
    Als sie sich einigermaßen beruhigt hatten, drehte Lex sich in meine Richtung. »Zwei Brüller an einem Tag. Erst Max der Hosenschisser und jetzt du mit dem Dicken. Wie kommst du überhaupt auf so eine bekloppte Idee?«
    Ich hob die Schultern. »Na ja … Er spielt Keyboard, solange ich denken kann. Rund um die Uhr. Seine Mutter ist so gut wie nie da und sie würde ihm ganz sicher die Erlaubnis geben, mitzukommen, wenn sie es überhaupt bemerkt, sie wäre wahrscheinlich sogar froh. Und ihr braucht einen Keyboarder. Sofort. Also.«
    Jetzt schaltete Greg sich wieder ein. »Spielt er gut?«
    Ich überlegte. »Er spielt nach Noten.«
    »Das war nicht meine Frage.«
    Es ehrte mich auf eine seltsame Art und Weise, dass Greg mir ein zweites Mal zutraute, eine musikalische Leistung zu beurteilen, auch wenn ich eben bei seinem Song nicht wirklich sicher gewesen war.
    »Spielt er gut?«, wiederholte er.
    »Er hat nichts anderes«, antwortete ich.
    Flockes Nummer hatte ich in meinem Handy eingespeichert. Er hatte sie mir damals nach dem Kuss gegeben, für den Notfall, wie er meinte, und ich hatte sie angenommen, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was genau er mit »Notfall« meinte. Jetzt entschied ich, dass dieser Fall soeben eingetreten war. Es braucht keine großen Überredungskünste, einen Junkie dazu zu bringen, Drogen zu nehmen, und so war Flocke in seiner Mission als Ersatzkeyboarder in weniger als zwanzig Minuten am Probenraum. Als er auftauchte, bereute ich meinen Anflug von Spontanität sofort. Er sah aus … wie er eben aussah: in einer roten XL -Bermuda mit Tennissocken, froschgrünen Sportschuhen und einem typischen Flocke-T-Shirt, auf dem »I’m a Virgin, please kiss me« stand.
    »Hab die Glöcklein klingeln gehört, dass hier’n Lebensretter gesucht wird?«
    »Äh, Flocke, das sind … die Jungs von Crystal. Du kennst sie ja, also …«
    »Und wie ich euch kenne, alter

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