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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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mit Beschlag belegte. Mein Kreislauf war stabil, die letzten Tage waren in dieser Hinsicht gut gelaufen und nichts deutete auf eine Verschlechterung meiner Verfassung hin – ich konnte die Tour also bedenkenlos starten. Gut, bedenkenlos war vielleicht ein wenig übertrieben, aber immerhin war die Ausgangssituation nicht übel . Wegen meiner Krankheit hatte ich gelernt, von einem Tag auf den anderen zu planen, und das kam mir nun zugute. Alles andere wäre ohnehin Panikmache, und diesen Job überließ ich liebend gerne Lisa, die mich beim Abschiedskuss, den sie mir noch unbedingt aufdrücken musste, mindestens siebzehn Mal gefragt hatte, ob ich mich denn wirklich jeden Abend melden würde. Ich hatte es ihr versprochen, dazu artig genickt und mich gewundert, wie einfach es war, sie anzulügen. Aber um auf Nummer sicher zu gehen, dass sie nicht in der Klinik anrufen würde, hatte ich mir eine allabendliche Erinnerung ins Smartphone eingespeichert, die mich jeden Abend um Punkt 18 Uhr ermahnen würde, meine Mutter anzurufen.
    Das zu meinem Plan.
    »Bella mia!«, begrüßte Flocke mich, als er seinen Rucksack auf den Rücksitz des Taxis schmiss. »Und, bereit für die große Abenteuertour mit dem sexiesten Typen und Keyboarder, den das Land je gesehen hat?«
    Ich verdrehte die Augen und sah aus dem Fenster. »Ich sehe hier weder einen sexy Typen noch einen Keyboarder«, antwortete ich, »aber vielleicht ändert sich das ja noch.«
    Im nächsten Moment schon tat mir das Gesagte leid. »Sorry.«
    Aber Flocke ließ sich wie immer von nichts und niemandem beirren.
    »Alles cool!«
    Ich wollte nicht allzu hart zu ihm sein; immerhin war er mein Freak-Backup und seine Nähe gab mir ein seltsam-verstörendes Gefühl von Sicherheit.
    »Nach diesem Sommer, Sanny-Bunny, wird nichts mehr so sein, wie es vorher war«, schob Flocke hinterher und klang eigenartigerweise so, als ob es eine innere Sicherheit gäbe, die ihn das sagen ließ.
    »Könntest du bitte aufhören, mich Sanny-Bunny zu nennen?«
    »Alles klar, Honey-Bunny.«
    Ich stöhnte genervt auf, wie eigentlich immer, wenn Flocke was Schwachsinniges von sich gab, was allerdings fast immer der Fall war, wenn er den Mund aufmachte.
    Trotzdem sagte eine seltsame Stimme in mir, dass er dieses Mal vielleicht recht haben könnte.

5. KAPITEL: A UFBRUCH
    Als wir pünktlich um fünf vor dem Probenraum ankamen, war niemand zu sehen. Lex’ VW Bulli stand nirgendwo quer, auch nicht der zweite Bus, den sie brauchten, um uns alle und die Instrumente und Verstärker unterzubringen, und ich konnte keinen der Jungs entdecken. Augenblicklich trat mir kalter Schweiß auf die Stirn. Sie hatten uns verladen, Flocke und mich. Sie hatten die beiden Freaks aufs Kreuz gelegt und sich einen Spaß daraus gemacht. Jetzt lagen sie sicher lachend in ihren Betten, weil wir so bescheuert waren, zu glauben, dass sie wirklich vorgehabt hatten, uns mitzunehmen.
    »Verdammt, hier ist niemand!«
    Selbst Flocke, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, sah leicht verunsichert aus. Aber keiner von uns wollte das aussprechen, was wir offensichtlich beide dachten: Man hatte uns verarscht.
    Der Taxifahrer lud unser Gepäck aus, und während Flocke zahlte, ließ ich meinen Blick über den grauen Asphalt des verlassenen Parkplatzes schweifen. Im Morgengrau wirkte das alles noch viel trostloser, als es ohnehin schon war, und die orangefarbenen Smileys im Eingangsbereich schienen mir höhnend » Ätsch, bätsch « zuzurufen.
    Als das Taxi abbog und aus unserem Sichtfeld verschwand, fanden wir unsere Sprache wieder. »Vielleicht hätten wir das Taxi besser nicht fahren lassen sollen«, stellte ich fest. Reichlich spät.
    »Du meinst ernsthaft, sie haben uns ans Bein gepinkelt?«, fragte Flocke und versuchte, sein Grinsen möglichst breit zu halten, obwohl die Mundwinkel bereits leicht zittrig absanken.
    Ich nickte. »Offensichtlich.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, antwortete die unerschütterliche Frohnatur neben mir, »sie haben’s nur mit der Pünktlichkeit nicht so …«
    Ich sah auf die Uhrenanzeige meines Handys: 5:11 Uhr. Es war also schon um einiges später als ausgemacht. Man konnte nicht sagen, dass ich gerade als Pünktlichkeitsfanatikerin bekannt war, immerhin sollte man nicht päpstlicher mit so was sein als der Papst, das sagt zumindest Paps immer. Aber den Einfluss durch Lisas permanenten Drill konnte ich trotzdem nicht vollends von der Hand weisen. Ich musste an meinen Vater denken: Von

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