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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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gebracht hatte. »Das ist praktisch unmöglich! Nicht bei der Songauswahl! Das macht überhaupt keinen Sinn!«
    Ich hob die Schultern. »Vielleicht haben sie noch jemand anderen gefunden.«
    »Über Nacht? Woher denn?«
    Das Taxi fuhr vor und ich schulterte die kleinere meiner beiden Taschen, die auf meinem Koffer stand.
    »Es ist doch völlig piepegal, woher oder wie«, gab ich genervt zurück. »Fakt ist, dass ich gleich meiner Mutter verklickern muss, dass ich weder zur Kur noch woanders hingefahren bin!«
    Ich lud meine Tasche in den geöffneten Kofferraum, während der Taxifahrer sich um unser restliches Gepäck kümmerte. Gott sei Dank war es nicht derselbe wie auf der Hinfahrt und ich konnte mir wenigstens diese Blamage ersparen.
    Flocke zögerte zuerst und blickte weiter suchend auf die Straße, so als ob man eine Fata Morgana im Morgengrauen erzwingen könnte, wenn man nur genug daran glaubte.
    »Komm jetzt«, ermahnte ich ihn, »nicht, dass uns noch jemand von den anderen sieht.« Die anderen waren Schüler aus den unteren Klassen, die sich hier regelmäßig vor und nach der Schule und auch sonst oft an einer der Tischtennisplatten trafen. Dann rauchten sie zum Beispiel heimlich ihre erste Zigarette und kamen sich dabei endlos cool vor.
    »Es ist 5:58 Uhr. Sie lassen sich nicht mehr blicken, egal wie lange du hier noch stehst.«
    Ich konnte einfach nicht verstehen, warum Flocke anscheinend nicht dasselbe empfand wie ich. Jede Sekunde länger hier vergrößerte doch nur unsere Erniedrigung.
    »Man kann nicht immer gewinnen«, sagte Flocke leise – wie zu sich selbst –, »aber wie man verliert, kann man selber bestimmen. Und ich tue es erhobenen Hauptes.«
    »Dann setz dich eben erhobenen Hauptes«, antwortete ich gereizt und öffnete die Taxitür.
    Wir setzten uns beide nach hinten, keiner sagte ein Wort. Aber das war auch nicht nötig, denn es gab nichts zu besprechen. Mein Hirn ratterte und spulte alle möglichen Ausreden für Lisa ab, aber nichts schien plausibel genug zu sein, als dass sie es mir abnehmen würde. Vor meiner eigenen Mutter als Lügnerin dazustehen, war eine Sache. Aber zuzugeben, dass ich tatsächlich die Versagerin war, für die mich alle hielten, das war etwas ganz anderes.
    Ich schloss ganz langsam die Augen, so, wie Greg es immer tat, wenn es so aussah, als würde er die ganze Last der Welt auf seinen Schultern tragen.
    »Stopp! Stopp!« Flockes Stimme schoss ungefiltert wie durch ein Megafon direkt auf mein Trommelfell. »Stooooopp!« Er rüttelte heftig an meinem Arm. »Da, da, da!«
    Der Taxifahrer ging abrupt in die Eisen – er war mindestens so erschrocken wie ich. Ich drehte mich um und sah durch das Rückfenster, wohin Flocke mit seinem Finger hektisch zeigte. Und da stand etwas, das alles andere als eine Fata Morgana war: ein orangefarbener VW Bulli, der quer vor dem Eingang des Probenraums parkte und ein schwarzer T5, aus dem nun einer nach dem anderen die Crystal-Jungs ausstiegen.
    »Sie sind es! Sie sind es!«, brüllte Flocke weiter und ich zitterte vor Aufregung.
    »Pssst!«, versuchte ich ihn zu bremsen, »sie hören uns noch!«
    Flocke trommelte wie verrückt mit seinen Händen auf seinen Oberschenkeln und pfiff wie ein Zebrafinkenmännchen beim Balzgesang. Wir waren etwa zwanzig Meter von den Bussen entfernt und wenn wir jetzt ausstiegen, würde es tatsächlich so aussehen, als wären wir gerade angekommen. Eine bessere Ausgangssituation hätten wir uns kaum wünschen können. Sie waren wirklich gekommen, sie waren wegen uns da. Sie hatten uns nicht draufgeschickt.
    »Hab ich’s nicht gesagt? Hab ich’s nicht gesagt?«
    »Du hast es gesagt«, stimmte ich Flocke lächelnd zu und wollte dem Taxifahrer das Geld reichen.
    »Da nich für«, schlug er das Geld aus. »War wohl ein Fehler der Taxizentrale«, ergänzte er und zwinkerte mir zu. »Viel Spaß!«
    »Danke!«, sagte ich und stieg aus. Einerseits war ich erleichtert, dass ich mich doch nicht getäuscht hatte, gleichzeitig aber merkte ich, wie ein Gefühl von Angst in mir aufstieg. Denn nun stand es fest: Die Tour wurde Wirklichkeit. Das alles war kein Traum – es war echt.
    »Hi, Max-Ersatz!«, begrüßte Tobi Flocke, während er sich eine Zigarette anzündete.
    »Heyjo, Bruder, alles paletti Konfetti?«, brüllte Flocke eine Spur zu laut in Tobis Richtung. »Hab ich der Kleinen doch gesagt, dass hier keiner vor sechs auftaucht, da hat sie so ’n Stress gemacht. So ’ne unchristliche Uhrzeit, das braucht

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