Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
kein Mensch, und Rocker wie wir schon gar nicht!«
    Als Flocke »Rocker wie wir« sagte, musste ich schmunzeln, obwohl ich mich eigentlich über seinen Spruch hätte ärgern soll en. Aber wie er da so strahlend mit ausgestreckten Armen und beide Hände zur Mano cornuta geformt in seinen XL -Bermudas auf halb acht und Hawaii-Shirt auf die Busse zuwatschelte, das war ein echter Augenschmausmoment.
    »Auf geht’s«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu Flocke, der schon einige Meter vor mir war. »Auf geht’s.«
    *
    Der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten: Als die Tür zum VW -Bus aufging, konnte ich Kira und eine schlafende Michelle entdecken. Ich hatte nicht gewusst, dass sie mitkommen würden – bei Michelle hatte ich es allerhöchstens befürchtet. Zusammen auf der Tour mit dem erfahrensten – Michelle – und dem schönsten Mädchen der Schule – Kira – , das war mehr als nur ein Supergau. Aber es gab kein Zurück mehr: Ich schluckte, atmete tief aus, biss die Zähne zusammen und stieg ein.
    Meine Hoffnung, während der Fahrt in Gregs Nähe sitzen zu können, war augenblicklich dahin.
    Lex’ VW Bulli war offenbar der Mädchen- und Transportbus. Neben und hinter Kira und Michelle stapelten sich sämtliche Alukisten, Musikinstrumentenkoffer, Verstärker und Kabelrollen. Mit Flocke und mir war der Bus nun mehr als nur voll. Flocke hatte sich neben Lex auf den Beifahrersitz geschmissen und schon nach wenigen Minuten einen Maulkorb verpasst bekommen.
    »Kein Gequatsche um diese Uhrzeit«, lautete Lex’ Devise, und ich merkte, wie schwer es Flocke fiel, sich daran zu halten. »Das wird ein Höllentrip!«, flüsterte Flocke mir trotzdem nach hinten zu, zwinkerte und hielt beide Daumen hoch. Er erntete einen genervten Seitenblick vom Fahrersitz und fing sofort an zu kichern, was Lex nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen noch weniger schätzte. Michelle döste in eine Decke gewickelt auf der Hinterbank vor sich hin, Kira saß stumm in der Mitte. Ohne Michelles sprachlichen Beistand wirkte sie fast ein wenig verunsichert. Als ich einstieg, begrüßte sie mich mit einem Nicken, gefolgt von einem kurzen Lächeln. Sie trug eine Jeansjacke und ein blaues Sommerkleid, und ich konnte ihre schlanken Beine sehen, die in schmalen Sandalen mit Pfennigabsatz steckten. Sie sah schon wieder aus, als sei sie direkt einem dieser amerikanischen Filme entstiegen, in denen die Hauptdarstellerinnen immer wirken wie von einem anderen Stern.
    »Hi«, begrüßte ich sie, ohne sie direkt anzusehen.
    »Hallo«, antworte Kira lächelnd. Ich war froh, dass Michelle schlief und hoffte, dass sie das so lange wie möglich tun würde, denn abwechselnd Flockes Gequatsche und ihr schrilles Gekreische hören zu müssen, würde ich wohl kaum lange aushalten. Die Enttäuschung, dass ich nicht im anderen Bus mitfuhr, konnte ich kaum verbergen, und so war es mir mehr als nur recht, dass nicht geredet werden sollte. Ich stützte meine Stirn, die vor Aufregung ganz heiß war, an die kühle Glasscheibe, was sofort einen Fettfleck in Form eines Butterblumen-Blütenkopfes verursachte. »Problematische Mischhaut, extrem fettende T-Zone, ganz typisch für die Pubertät, allerdings nicht in diesem Ausmaß«, hatte mir Lisas Freundin Rita mal erklärt, ihres Zeichens ausgebildete Kosmetikerin und Mary-Kay-Verkäuferin im Direktvertrieb. Aber der Butterblumen-Fettfleck war mir egal, denn ich saß im Bus Richtung Freiheit, zwar im falschen, nicht neben Greg, aber vielleicht war das auch gut so, dachte ich, denn was hätte ich ihm die Fahrt über erzählen sollen?
    »Hrrrrch«, machte es rechts von mir und ich sah zu Michelle rüber. Ihr Kopf lag nach hinten gelehnt auf der Lehne vom Rücksitz, dessen Kopfhalter fehlte. Ihre Augen waren geschlossen, aber ihr knallrot geschminkter Mund stand weit offen. »Hrrrrch«, machte es wieder. Kein Zweifel: Michelle schnarchte! Nicht, dass ihr Auftreten sonst formvollendet ladylike war – aber dieser Anblick wirkte nun doch ziemlich schräg. Ich überlegte, ob ich mit Kira eine Unterhaltung anfangen sollte, verwarf den Gedanken dann aber sofort wieder. Zum einen würde mir bestimmt nichts einfallen, zum anderen wollte ich Lex nicht verärgern.
    So fuhren wir schweigend und nur von Michelles unregelmäßigem Schnarchgeräusch begleitet auf der leeren Autobahn dem Sonnenaufgang entgegen. W äre es nicht ich gewesen, die in diesem Bus saß, nicht Flocke vor mir, nicht eine sägende Michelle und eine viel zu

Weitere Kostenlose Bücher