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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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öffnete die Tür und ließ mich vom Sitz plumpsen. Die Nachtluft war frisch und belebend, viel besser als die Luft im Auto. Die kleinere Decke hatte ich mir um die Schultern gewickelt und stand nun ratlos vor der Beifahrertür. Greg rutschte vom Fahrersitz rüber auf meinen Platz und deutete mir mit dem Zeigefinger, dass ich um den Bulli herumgehen und mich auf den Fahrersitz setzen sollte. Was hatte das zu bedeuten? Was sollte ich bitte schön mitten in der Nacht am Steuer eines Uralt-Bullis?
    Als ich mich gesetzt und die Tür geschlossen hatte, hielt Greg mir einen Schlüssel hin. Den Autoschlüssel.
    »Hier«, sagte er und sah mich auffordernd an.
    »Wozu?«, fragte ich nach. Er meinte doch wohl nicht ernsthaft …
    »Wir drehen ’ne Runde«, sagte er und knuffte mich wieder. »Guck doch nicht so erschrocken, ist doch nur ’ne Testfahrt. Wenn du sowieso nicht schlafen kannst, können wir auch eine Runde drehen. Alt genug bist du ja schließlich.«
    »Ich bin fünf…zehn«, stotterte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    »Sag ich doch, alt genug.«
    Ich nahm den Schlüssel entgegen und steckte ihn ins Schloss. Ab und zu hatte ich schon mal davon geträumt, wie es wohl wäre, selbst Auto zu fahren, aber natürlich nie die Gelegenheit dazu gehabt. Und selbst wenn, ich hätte mich sowieso nicht getraut. Aber wann war man schon mal mitten in der Nacht auf einem menschenleeren Schrottplatz in einem Bulli mit dem schönsten Jungen, den die Welt je gesehen hatte, und der einem dann auch noch den Autoschlüssel rüberreichte?
    Es war verrückt, ich fühlte, wie ein irres Kribbeln von meinen Zehenspitzen angefangen über meine Beine durch meinen ganzen Körper zischte. Als ich den Schlüssel im Schloss umdrehen wollte, legte Greg seine Hand auf meine. Es war wie ein winziger elektrischer Schlag.
    »Noch nicht.«
    Ich traute mich nicht, ihn anzusehen und starrte geradeaus durch die Frontscheibe auf einen riesigen Berg Autoreifen, der vom Mond angestrahlt wurde. Der Reifenberg wirkte einerseits fast bedrohlich, wie er sich fast haushoch vor uns auftürmte, anderseits hatte der Anblick auch etwas Surreales; wie ein Berg inmitten einer Science-Fiction-Mondlandschaft.
    »Zuerst müssen beide Füße auf die Pedale«, erklärte Greg, »sonst würgst du den Motor ab.«
    Ich setzte beide Füße auf die Pedale und wartete auf die nächste Instruktion.
    »Na los«, sagte Greg jetzt, »links ist die Kupplung, die musst du gedrückt halten, rechts das Gas lässt du dann langsam kommen. Im ersten Gang ist er schon.«
    Ich drehte den Schlüssel im Zündschloss um und sofort war das Tuckern des Bullis zu hören. Augenblicklich sprang das Radio an und I loose myself tonight … von One Republic ertönte. Na super! Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren: Was hatte Greg gesagt? Links Gas, rechts Kupplung? Oder andersrum?
    »Links ist die Kupplung, die musst du gedrückt halten«, wiederholte Greg lächelnd, als ob er mir meine Verwirrung angesehen hatte, »und rechts das Gas, lässt du gleich langsam kommen. Aber vorher«, er tippte auf meinen rechten Arm, »erst mal die Handbremse lösen.«
    Ich versuchte die Handbremse nach unten zu schieben, aber es gelang mir nicht.
    »Du bist wirklich noch nie gefahren, hm?«, erriet Greg, was offensichtlich war.
    »Vorne an der Bremse ist ein Knopf. Den drückst du mit dem Daumen ein, ziehst die Handbremse hoch und lässt sie dann runter.«
    Ich folgte seiner Anweisung, und wirklich – sie bewegte sich. Ich saß erst wenige Sekunden am Steuer und war noch keinen Zentimeter gefahren, aber bereits jetzt schon nass geschwitzt.
    »Und nun das Gas …«
    Ich hob den rechten Fuß so langsam wie möglich, aber anscheinend nicht langsam genug, denn mit einem verschnupften Rörrgs! erstickte der Bullimotor, One Republic wurde abgewürgt und es war augenblicklich totenstill.
    »Komm, gleich noch mal«, forderte Greg mich auf und ich fragte mich, wo er seine Begeisterung hernahm, mitten in der Nacht einem Antitalent wie mir das Autofahren beizubringen.
    »Puh!«, entwischte es mir, doch ich wiederholte das Ganze, diesmal noch langsamer. Und siehe da – das verschnupfte Rörrgsen blieb aus und die letzten Töne von I loose myself tonight ertönten.
    »Gut!«, lobte Greg, »und nun ein bisschen mehr Gas, wir wollen ja schließlich Auto fahren und nicht Auto stehen , hm?«
    Im Augenblick war ich mir zwar nicht ganz so sicher, ob ich das wirklich wollte, aber jetzt zu knicken wäre feige, das kam

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