Stolperherz
seine lockere Art lachen.
»Kein Schweinkram hier auf meinem Schrottplatz machen, Kinners, klar?«, sagte er in einem möglichst bestimmten Ton, als er in großen Schritten Richtung Wohnwagen lief und wir wie übermüdete Lemminge hinter ihm hertrotteten. Wobei – Wohnwagen war maßlos übertrieben. Das, was sich gerade vor uns aufgetan hatte, war eine undefinierbare Masse an völlig systemlos zusammengenagelten Brettern in allen möglichen Farben und Größen, und hatte eher eine Ähnlichkeit mit einer verrotteten Saunabude denn mit einem Wohnwagen. Der Bretterhaufen stand auf vier Rädern, von denen zwei platt waren, aber das war auch das Einzige, was an einen Wohnwagen erinnerte. Eine kleine Treppe aus morsch wirkenden schmalen Holzstücken führte zur Eingangstür.
Es war ziemlich dunkel auf Günnis fast unbeleuchtetem Schrottplatz, nur der Mond schien hell. Aber das reichte, um die entgeisterten Gesichter der anderen zu erkennen, die wohl gerade ähnliche Gedanken hatten wie ich.
»Voil à , Kinners!«, sagte Günni und bestätigte meine Befürchtung, dass dies kein Irrtum war. »Nicht das Ritz, aber immerhin trocken drinne!«
»Wirkt so … ähm, klein?«, brach Lex die Stille. »Passen wir da auch wirklich alle rein?«
»Sag ich ja, zur Not müsst ihr eben stapeln, deswegen ja auch kein Schweinkram, verstehste?«
»Verstehe«, bestätigte Lex, dem es fast die Sprache verschlagen hatte.
»Haste ja ganz, ganz toll ausgesucht!«, blökte Michelle mich von der Seite an, aber Greg stoppte sie. »Sei du lieber still. Wenn’s nach dir gegangen wäre, hätten wir jetzt gar nichts. Konnte ja keiner wissen. Und besser als nichts ist es auf jeden Fall.«
Ich wollte so was wie »Danke!« sagen, brachte aber nur ein leises Krächzen heraus.
»So Mädels, ich überlass euch mal dem gemeinen Schicksal und so«, sagte Günni, »wenn ihr noch was braucht, habt ihr Pech. Hier ist nix. Weit und breit nich. Wenn ich weg bin, ist hier im Umkreis von ’n paar Kilometern keine Menschenseele. Nur Buddy. Und der passt auf.«
»Buddy?«, fragte Tobi.
»Jau, der rote Hund. Bellt wie irre, wenn er nachts gestört wird, besteht auf seine acht Stunden Schlaf. Also seid lieber leise.«
Günni deutete auf eine Hundehütte, die ungefähr zwanzig Meter entfernt stand und unserer Unterkunft zum Verwechseln ähnlich sah.
»Okay.«
Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie eng wir uns nebeneinanderlegen mussten, um alle in diese Bretterbude zu passen, doch erst als Schleicher nun die Tür mit einem lauten Knarren öffnete, wurde mir das volle Ausmaß unserer Problematik bewusst: Günni hatte keinen Scherz gemacht, als er gesagt hatte, dass wir uns stapeln müssten.
»Ich schlafe im Auto«, sagte Greg kopfschüttelnd, »das ist mir zu eng hier in der versifften Sardinenbüchse.«
Da die Instrumente und Boxen den meisten Platz in den Bussen einnahmen, gab es keine Möglichkeit, die Sitze umzuklappen, was bedeutete, dass man im Sitzen schlafen musste. Ich konnte an den Gesichtern erkennen, dass keiner der anderen Lust dazu hatte. Aber mir war das tausend Mal lieber als die Vorstellung, womöglich dicht gedrängt zwischen Flocke und Michelle zu liegen, also riss ich mich zusammen. »Ich möchte auch im Bus schlafen.«
Greg hob gleichgültig die Schultern und Michelle sprang – verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk – natürlich drauf an. »Uiuiui, der Freak hat ein Auge auf unseren Bassisten geworfen!«
Ich wusste nicht, das wievielte Mal es war, dass ich sie erwürgen wollte.
Greg jedoch schenkte Michelles Bemerkung keinerlei Aufmerksamkeit und stieg in den Bulli ein.
»Schicht im Schacht, gute Nacht!«, flötete Flocke.
Während die anderen neugierig die Saunahütte betraten, blieb Lex drei Stufen unter der Holztür der Hütte auf dem Absatz stehen und sah mich einen Augenblick lang an. Oder zumindest sah er in meine Richtung – ich war nicht sicher, ob er mich wirklich ansah. Es war, als läge eine Art Enttäuschung in seinem Blick, so, als hätte ich ihn in der Schule verpfiffen, oder ihn im Stich gelassen. Ich konnte diesen Blick nicht einordnen, denn ich hatte ja nichts getan, und doch fühlte ich mich schlagartig schuldig, als hätte ich ihn verraten. Es war seltsam zwischen uns – im Grunde gab es da ja rein gar nichts – und trotzdem fühlte ich in diesem Moment eine Verbindung, die, gerade mal aufgebaut, drauf und dran war, zu reißen.
»Schlaf gut«, sagte Lex, und verschwand in der Tür. Er hatte mich gemeint,
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