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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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darstellte.
    Als wir wieder in Sichtweite der Hütte angekommen waren und ich das Fenster mehr schlecht als recht mit ziemlich viel Kraft hochgekurbelt hatte, bremste ich ruckartig.
    »Aussteigen können wir in diesem Leben wohl vergessen«, sagte ich und lachte ein wenig zu hysterisch, immer noch außer Atem von der Kurbelei.
    »Ach was«, winkte Greg ab, »nicht mehr lange und er hat uns schon wieder vergessen.«
    In der Tat war das springende rote Büschel unter meinem Fenster verschwunden – und eine seltsame Stille herrschte. Die Scheinwerfer des Bullis strahlten die Lichtung zwischen den Metall- und Reifenbergen vor uns an.
    »Puh«, machte ich, schaltete den Motor und damit auch das Radio ab, und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
    Da saßen wir nun, völlig erledigt vom Lachen, zumindest ich nass geschwitzt und schwer atmend – in völliger Stille. Aber es war eine angenehme Stille, die etwas Vertrautes hatte, das ich nicht beschreiben konnte, etwas, das sich wie Geborgenheit anfühlte. Es gab keinen Zwang zu sprechen und mir fiel auch nichts Passendes ein, also schwieg ich. Lediglich als ich den Schlüssel aus dem Schloss gezogen hatte und ihn Greg hinhielt, hatte ich das Bedürfnis, mich zu bedanken.
    »Danke fürs Fliegen lernen«, flüsterte ich in die Stille, »ich hatte gerade echt Spaß.«
    »Kein Ding«, flüsterte Greg, nahm den Schlüssel entgegen und umschloss dabei meine Hand.
    Am liebsten hätte ich diesen Moment eingefroren wie einen Eiswürfel, damit ich ihn mir immer und immer wieder würde ansehen können. Doch leider erscheint das Glück nicht in fester Form und so zerrann der Moment wie Wasser zwischen meinen Fingern. Greg legte den Schlüssel auf das Armaturenbrett und sah aus dem Beifahrerfenster.
    »Hat dir mein Song wirklich gefallen?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete ich und wusste sofort, was er meinte. Er war kein Typ der großen Überleitungen, das hatte ich mittlerweile verstanden.
    »Hm.«
    »Er ist wirklich gut. Und nicht nur das«, fügte ich hinzu, »auch deine Stimme ist klasse. Du solltest wirklich singen. Du würdest die anderen umhauen.«
    Greg lachte kurz auf. »Tobi sicher nicht.«
    Ich überlegte. »Vielleicht, weil er nicht der Typ ist, der gut mit Konkurrenz umgehen kann.«
    Greg sah mich an. »Mannometer. Du bist ja nicht gerade zimperlich mit deinen Einschätzungen.«
    Ich hob die Schultern.
    »Aber vielleicht hast du recht. Er hat es lieber, wenn alles den gewohnten Gang geht. Jeder schön an seinem Platz bleibt, ganz genauso wie mein Alter.«
    Es war das erste Mal, dass Greg von seinen Eltern sprach, im Grunde genommen war es das erste Mal, dass er überhaupt von sich sprach. Mich überkam eine Mischung aus Neugier, aber auch Stolz, dass er gerade mich als Zuhörerin gewählt hatte. Denn eines wusste ich schon: Bekannt für seine Offenheit war er nicht gerade. Gut, es war wohl ein wenig zu hoch gegriffen, dass er mich gewählt hatte, immerhin hatte er keine besonders große Auswahl. Aber immerhin. Es schien mir am besten zu sein, gar nichts zu sagen, denn ich hatte das Gefühl, dass er reden wollte.
    »Mein Alter mag meine Musik nicht besonders«, setzte Greg wieder an, »gelinde ausgedrückt.«
    »Hm«, machte ich.
    »Besser gesagt: Er hasst sie.«
    »Er hasst sie?«
    Das konnte ich mir kaum vorstellen, immerhin liebte die ganze Schule die Jungs für ihre Musik, wieso sollten ausgerechnet die Eltern sie dann hassen?
    »Mein Vater denkt, es ist Zeitverschwendung. Ein überflüssiges Teenager-Hobby, um sich zu profilieren. Er will lieber, dass ich meine Zeit zum Lernen verwende.«
    »Das kenne ich gut«, seufzte ich. »Eltern leben in fremden Galaxien oder so, sie können , glaube ich, gar nicht verstehen, was einem wichtig ist.«
    »Vielleicht«, sagte Greg und sah wieder aus dem Fenster, »aber selbst wenn er es könnte – er will es nicht. Er möchte, dass ich BWL oder so ’n Kram studiere. Dabei will ich nichts anderes machen als meine Musik.«
    Ich hatte mir nie vorgestellt, wie das Verhältnis eines Typen wie Greg zu seinem Vater wohl sein würde, aber jetzt merkte ich, dass es dem Verhältnis, das ich zu meiner Mutter hatte, wohl gar nicht so unähnlich war.
    »Hast du ihm denn klargemacht, dass du das wirklich machen willst, also beruflich und so? Ich meine, wenn er es für ein Hobby hält, nimmt er dich deswegen vielleicht nicht ernst.«
    »Klar hab ich«, antwortete Greg. »Tausendmal. Aber am Ende brüllt er mich immer nur an und sagt, ich lande

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