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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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meinen Kopf an die Scheibe gelehnt, döste vor mich hin und dachte über die letzte Nacht nach. Was bedeutete dieser Kuss? Hatte er überhaupt etwas zu bedeuten? Waren Greg und ich jetzt ein Paar, oder sowas in der Art? Oder war es nur einer von vielen Küssen, den Jungs wie Greg eben Groupies gaben, und völlig belanglos für ihn? Andererseits war ich kein Groupie, ich sah mich zumindest nicht so. Unser Gespräch war etwas Besonderes gewesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mit jedem so sprach. Ich fuhr mit dem Zeige- und dem Mittelfinger über meine Unterlippe und musste lächeln. Vorhin noch hatten Gregs Lippen meine berührt – ich konnte diese wahnsinnige Vorstellung immer noch kaum fassen. Greg hatte mich geküsst, das war wie ein irrer Fiebertraum, und ich spulte das Bild, wie er sich ganz langsam mit seinem Gesicht meinem näherte, immer und immer wieder in meinem Kopf ab.
    Es dauerte nicht lange, bis wir in einen Stau gerieten.
    »Maschseefest«, grummelte Lex, »jedes Jahr um diese Zeit total überfüllt die Stadt hier, zwei Millionen Besucher, hab ich mal gehört. So ’n Mist, hätte ich mir ja denken können.«
    Staus wirkten auf mich immer schon besonders einschläfernd und wegen meines Schlafmangels heute erst recht. Als ich aufwachte, waren wir bereits da.
    »Wir sind da«, sagte Lex ruppig und stieg aus. Seine schlechte Laune schien er auf der Fahrt jedenfalls nicht losgeworden zu sein.
    »Hier haben schon wahre Rockgrößen gespielt«, erklärte Long John, seines Zeichens Barbesitzer der Blues Garage , der mit seinen höchstens ein Meter sechzig kleiner war als ich, dieses Manko aber in der Breite wettmachte.
    »Dürft euch also gerne geehrt fühlen. Zudem ja auch noch Maschseefest ist und sich das Who is Who der Rockgrößen in der Stadt tummelt. Über hundert Bands sind deswegen vor Ort.«
    Long John trug einen Vollbart, der bereits leicht angegraut war, eine schwarze Lederweste, die ihm in weit, sehr weit vergangenen Zeiten sicher irgendwann mal gepasst haben musste, und darunter eine Art Hawaii-Hemd, das bei Flocke wahre Begeisterungsstürme auslöste.
    »Starkes Hemd!«, lobte Flocke Long Johns Interpretation eines Toast Hawaii, »wo kriegt man denn so einen feinen Zwirn her?«
    Long John erkannte sofort Flockes Potenzial des verlorenen Sohns und erklärte, dass er die Hälfte des Jahres auf der Südseeinsel Atiu verbrachte, wo es zufällig auch die besten Hemden der Welt gäbe.
    »Na, bei uns gibt’s auch ein ATU «, witzelte Flocke, »allerdings verkaufen die nur Reifen und keine Hemden!« Niemand lachte – wie immer –, als plötzlich, wie aus heiterem Himmel, Long John laut losgrölte.
    Ich hatte mittlerweile begriffen, dass so ziemlich alle Barbesitzer einen Spitznamen trugen, für irgendwas bekannt waren oder irgendetwas besonders gut konnten. Long John konnte besonders gut Witze erzählen und dafür war er angeblich in ganz Hannover bekannt.
    Und ich ahnte, was das für uns bedeutete: Wir mussten jetzt ganz, ganz stark sein. Denn Flocke hatte in Long John seinen Meister gefunden, seinen ganz persönlichen Schlechte-Sprüche-Guru. Und das mussten wir anderen nun ausbaden.
    »Wie nennt man jemanden, der immer mit Musikern rumhängt und sie durcheinanderbringt? Schlagzeuger!!! Hahaha!«
    Genauso schnell, wie Long John bei Flocke einen Stein im Brett hatte, war er bei Lex unten durch. Schlagzeuger-Witze waren allseits wohl sehr beliebt, aber niemand außer Long John hätte sich getraut, im Beisein von Lex einen zu reißen. Natürlich kümmerte das einen Kerl wie Long John wenig, sodass Lex’ ohnehin schlechte Laune durch John Longs Sprüche und Flockes Gegröle als Reaktion darauf nicht gerade besser wurde. Missmutig machte er sich daran, die Autos auszuladen, während Schleicher auffällig oft Gründe dafür suchte, um im wahrsten Sinne des Wortes um Kira herumzuschleichen. Ich beobachtete die beiden von Weitem, und anders als Michelle und Tobi, die eigentlich permanent flirteten, war ihre Kommunikation nicht kreischig und von Lachen geprägt. Kira und Schleicher schienen sich auf eine seltsam-verschrobene Art ohne Worte zu verstehen, tauschten bedeutungsschwangere Blicke aus und erröteten abwechselnd. Kira und Schleicher! Auf diese Kombi hätte ich als Allerletztes getippt und gestern war von alldem auch noch nichts zu sehen gewesen. Aber anscheinend hatte die Vollmondnacht nicht nur auf Greg und mich eine gewisse Wirkung gehabt.
    Allerdings behandelte Greg mich so wie

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