Stolz der Kriegerin
eine Doppelsänfte trugen. Da es genau das war, was Sirrin wünschte, verhandelte sie mit der Wakan-Führerin, die mit Sicherheit einen Tivenga-Elternteil besaß, und akzeptierte schließlich den hohen Preis, den diese für die etwa einen Tag dauernde Reise zur Hauptstadt verlangte.
Kaum saßen Sirrin und Sung in der Sänfte, wob die Evari einen Zauber um sie beide, der sie völlig von der Welt abschloss.
»Jetzt berichte!«, forderte sie den Heiler auf.
Sung sah einen Moment so aus, als habe er ein schlechtes Gewissen, und seine Worte klangen wie eine Entschuldigung. »Ich habe sehr lange suchen müssen, bis ich jemanden gefunden habe, der unseren Ansprüchen genügt. Drei Mädchen und ein Junge hatten zwar die Anlagen, die wir für unseren Zweck benötigen, aber sie erschienen mir zu schwach, um die Zeremonie durchzustehen.«
»Dann war es besser, auf sie zu verzichten, denn wir können uns keinen zweiten Fehlschlag leisten«, antwortete Sirrin schaudernd. »Die letzte Kandidatin, die du gefunden hast, ist während der Zeremonie gestorben, und um ein Haar wäre Tirah ebenfalls dabei umgekommen. Ich konnte sie im letzten Moment wieder in magischen Schlaf versenken. Dabei hätten wir sie im Südkrieg so dringend gebraucht. Ihr wären die violetten Reiche gemeinsam in den Kampf gefolgt. So aber hat jedes violette Land im Süden auf eigene Faust Krieg gegen die Eindringlinge geführt. Die, die übrig geblieben sind, lecken sich auch heute noch die tiefen Wunden, die ihnen die verlorenen Schlachten beigebracht haben.«
Sung lächelte beruhigend. »Der Junge, den ich ausgewählt habe, ist kräftig genug, um die Sache durchzustehen. Es mag sein, dass er die Zeremonie nicht lange überlebt oder den Verstand verliert, doch er kann Tirah zum Leben erwecken.«
»Ich will es hoffen. Wer ist es?«
»Der Sohn des Königs und Thronerbe von Andhir«, erklärte Sung leise.
Sirrin starrte ihren Helfer ungläubig an. »Große Göttin! Ein Blauer und noch dazu von hohem Adel? Willst du Feindschaft zwischen den Völkern der Ilyna und der Linirias sähen?«
»Es darf natürlich nicht ans Tageslicht kommen! Außerdem ist es nicht so gefährlich, wie Ihr denkt, Herrin. Der Prinz besitzt noch zwei Schwestern, die an seiner Stelle den Thron besteigen können. Um es offen zu sagen, den Priesterinnen von Andhir wäre es sogar recht, wenn Prinzessin Rhai, die jüngste Tochter des Königspaares, ihrem Vater auf den Thron folgen würde. Sie mögen den Prinzen nicht.«
Sung bemerkte eine gewisse Beklommenheit in Sirrins Gesicht und versuchte, ihre Zweifel zu zerstreuen. Lang und breit erklärte er ihr, dass Rhai in Andhir geboren worden war, als ihr Vater bereits König war, während Rogon als Knabe hierhergekommen und im Grunde nie in Andhir heimisch geworden war.
»Daran sind natürlich auch die Priesterinnen schuld, die ihn wegen seines Aussehens ablehnen«, fuhr Sung fort. »Sie halten ihn magisch für eine taube Nuss und sprechen ihm daher das Königsheil ab, das in ihren Augen unabdingbar ist.«
»Wenn er eine taube Nuss ist, weshalb ist er dann in deinen Augen für unsere Zwecke geeignet?«, fragte Sirrin verärgert, denn sie wollte den weiten Weg nach Andhir nicht unternommen haben, um ohne Ergebnis wieder abreisen zu müssen.
Sung hob beschwichtigend beide Hände. »Ich habe ihn geprüft, Herrin. Er mag nicht die Fähigkeiten besitzen, die hier in Andhir geschätzt werden. Aber mein Stein zeigt, dass er die innere Stärke und die Gabe hat, Tirah die nötige Lebenskraft zu schenken.«
»Ich würde dich am liebsten beauftragen weiterzusuchen, aber uns bleibt nicht mehr viel Zeit für den letzten Versuch, sie zu erwecken. Also dürfte Rogars Sohn unsere einzige Chance sein. Wenn es diesmal schiefgeht, verlieren wir Tirah endgültig.« Sirrin machte eine heftige Handbewegung, so als wolle sie die düsteren Gedanken, die sie quälten, verscheuchen, und prüfte ihre Umgebung mit ihren magischen Sinnen.
»Weshalb kommen eigentlich so viele hochrangige Leute aus den blauen Wardan-Reichen in dieses abgelegene Land?«
Sung sah sie verdutzt an. »Das wisst Ihr nicht? König Rogar ist vom blauen Synod von Edessin Dareh und dem Rat der blauen Herrscherinnen und Herrscher zum obersten Feldherrn aller blauen Reiche ernannt worden. Die höchste Priesterin der Heiligen Stadt wird ihm das Blaue Banner persönlich überreichen.«
»Und deshalb kommen so viele Damen nach Andhir und bringen ihr junges Gemüse mit?«
»Wenn Ihr mit jungem
Weitere Kostenlose Bücher