Stolz der Kriegerin
erfolgreichen Söldnerführers war der junge Mann mit Sicherheit im Kampf geschult worden. Er aber hatte nur seine linkischen Auftritte bei der Begrüßung der Gäste und seine Unlust bei Tanz und Konversation gesehen und daraus sein Bild von einem eher hilflosen Prinzlein geformt.
Da er nun doch wissen wollte, was Rogon mit den Schlangenmenschen zu besprechen hatte, trat er zu der Gruppe. Bevor er etwas sagen konnte, drehte Rogon sich zu ihm um. »Wir können morgen weiterreisen. Das Schiff der Sklavenjäger hat die Sümpfe in Richtung Norden verlassen.«
»Du glaubst, die Kerle wollen nach Flussmaul?«, fragte Sung.
Rogon antwortete mit einem belustigten Lächeln. »Auf jeden Fall sind sie dorthin unterwegs. Allerdings nicht mehr alle. Zwei der Männer, mit denen wir es zu tun hatten, und vier weitere sind den Blasrohrpfeilen unserer Freunde zum Opfer gefallen. Die Zirdh’een hassen Sklavenjäger und Piraten, daher töten sie sie, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Tolmon Kren vom ersten Turm von Flussmaul wird auf seinen nächsten Fahrten durch die Sümpfe sehr vorsichtig sein müssen. Unsere Freunde wissen nun, dass er hinter den Jagden auf sie steckt, und wollen sich rächen. Vielleicht bleibt er sogar einige Zeit zu Hause und schickt nur seine Kapitäne bis nach Edessin Dareh.«
Der Name Tolmon Kren sagte Sung einiges. Alle, die über diesen Mann gesprochen hatten, beteten zu ihrem Gott, dass sie ihm niemals begegnen mussten. Als er nun hörte, dass Rogon über den gefürchteten Piraten und Sklavenjäger spottete, schürte dies seine Angst vor dem Prinzen noch mehr.
»Gut, dass wir weiterreisen können. Wir haben hier schon zu viele Tage verloren, in denen wir unserem Ziel näher gekommen wären«, sagte er barsch.
Rogon kniff verwundert die Augen zusammen. »Haben wir ein Ziel?«
»Ich dachte, wir wollten in den Süden reisen!«
Sung wagte es nicht, Tirah direkt anzusprechen. Zwar hielten sich die Schlangenmenschen vor den Menschen in ihren Sümpfen versteckt, doch sie waren magisch begabte Geschöpfe und gute Heiler. Der eine oder andere konnte von Tirah gehört haben und wissen, wie diese wieder zum Leben zu erwecken war. Wenn sie Rogon warnten, würde dies nicht nur den Auftrag gefährden, den Sirrin ihm gegeben hatte, sondern auch sein Leben. Mittlerweile traute er dem Prinzen zu, ihn zu töten, wenn er sich von ihm verraten fühlte.
Rogon aber lächelte beinahe übermütig, denn er genoss den Rausch der Freiheit und das Ende des höfischen Zwangs, der ihm ein Greuel gewesen war.
Unwillkürlich musste er an seine Eltern und seine Zwillingsschwester denken. Natürlich würden sie sich Sorgen um ihn machen, und das tat ihm leid. Doch er war überzeugt, richtig gehandelt zu haben, denn er war nicht zum König von Andhir geboren. Weder hatte er dort das Licht der Welt erblickt noch sich je in dem Land heimisch gefühlt. Zwar wusste er nicht, was ihm die Zukunft bringen würde, doch im Notfall konnte er sich an seinen Großvater in Edessin Dareh wenden und an Rhynn, die wieder dorthin zurückkehren würde. Doch das würde er nur dann tun, wenn es ihm wirklich dreckig ging und er zugeben musste, dass er nicht auf eigenen Füßen stehen konnte. Vorerst war er damit zufrieden, den Heiler zu begleiten und vielleicht sogar ein wenig von dessen Kunst zu lernen.
Wahrscheinlich wäre Sung beruhigt gewesen, hätte er die Gedanken seines Begleiters lesen können. So aber drängte er sorgenerfüllt zum Aufbruch und war erleichtert, als Xulla sie zu einem schmalen Wasserlauf führte, der, wie sie sagte, nach einigen Meilen in den Großen Strom münden würde.
»Meine Leute haben ein Boot für euch geflochten. Es ist fest und wird euch sicher zu dem Ort bringen, an dem ihr den Großen Strom verlassen wollt!« Das Schlangenmenschenmädchen wies dabei auf ein etwa fünf Schritte langes Schilfboot, das an einer Leine aus Weidenzweigen hing. Darin lagen ein Beutel mit Lebensmitteln, zwei aus Binsen gefertigte Trinkflaschen sowie zwei leichte, aus Haselnusszweigen und Schilf geflochtene Paddel.
»Ich danke dir und deinem Volk. Ihr seid sehr großzügig«, sagte Rogon.
Über Xullas Gesicht huschte ein Lächeln. »Schätzt du den Wert meines Lebens und meiner Freiheit so gering ein, Prinz von Andhir? Wir würden euch gerne mehr geben, doch wir besitzen nur wenig von den Dingen, die die Bewohner der trockenen Lande schätzen. Warte …« Sie nestelte an ihrem Hals und brachte einen an einer Schnur aus
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