Stolz der Kriegerin
Oberpriester war extra aus Tawalaan gekommen, um eine Audienz zu erhalten. Auch waren alle fünf Lehensgrafen erschienen, und sein Vetter Rakkarr, der Kronprätendent von T’walun, war ebenfalls anwesend. Auch sonst hatte sich jeder eingefunden, der glaubte, in T’wool etwas zu gelten.
Arendhar ärgerte sich im Stillen über diese Männer, denn die meisten von ihnen taten immer noch so, als hätten sie den sechzehnjährigen Jungen vor sich, dem sie noch auf dem Schlachtfeld den Kronhelm seines gefallenen Vaters aufs Haupt gesetzt hatten. Doch seitdem hatte sich viel ereignet. Nicht zuletzt durch Tharons tatkräftige Hilfe war es ihm gelungen, T’wool gegen die anrennenden grünen Reiche des Westens zu halten und diese sogar so weit zurückzudrängen, dass die kleineren Nachbarreiche wenigstens noch teilweise existierten. Der Rest dieser Länder lag entweder unter dem Todeswall, den der grüne Evari gezogen hatte, oder dahinter, so dass kein Schwert und kein Speer aus T’wool sie erreichen konnte.
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, schritt Arendhar durch den Saal und nahm auf seinem Hochsitz Platz, der in einem Stück aus dem Stamm eines Schwarzholzbaumes gefertigt worden war.
Nun erst wagten seine Gäste und sein engeres Gefolge, sich zu rühren. Der Oberpriester setzte sich als Erster, danach Rakkarr, der noch immer darauf beharrte, als Erbe von T’walun zu gelten, obwohl das Reich seines Vaters bereits vor einem Dutzend Jahre unter den Schlägen der grünen Aggressoren untergegangen war. Diese konnten jedoch erst vertrieben werden, wenn der Fluch von Rhyallun gebrochen war. Doch das war nicht seine Aufgabe, dachte Arendhar, sondern die des Evari.
Der Blick des Königs schweifte durch den Saal, doch er konnte Tharon nirgends entdecken. Das wunderte ihn, denn er hatte fest mit seiner Anwesenheit gerechnet, und sei es nur, um sich von ihm neue Vorwürfe wegen seines in Tharons Augen törichten Handelns anzuhören.
Die Diener erschienen und trugen auf. Dies geschah nach einem altüberlieferten Zeremoniell, bei dem er als Erster die Speisen erhielt und mit dem Essen fertig war, bevor der Letzte seiner sechzig Gäste auch nur die Suppe gelöffelt hatte. Wenn er sofort aufstand, nachdem er satt war, und sich zurückzog, würden sich die meisten Anwesenden hungrig von ihren Plätzen erheben müssen.
Aus diesem Grund blieb Arendhar auch diesmal sitzen und wartete. Zu sprechen wagte niemand, und so fühlte er sich mitten unter seinen Höflingen so einsam wie in einer Kerkerzelle. Bei dem Gedanken erinnerte er sich an die grünen Edelleute, die seit etlichen Jahren seine Gefangenen waren, vor allem aber an jenen König, der ihm auf ein missverständliches Zitat hin die Tochter als Ersatz für seine ermordete Gemahlin angeboten hatte.
Seine Ehre hatte ihn gezwungen, auf das Angebot einzugehen, doch ihm war klar, dass die wenigsten seiner Höflinge damit einverstanden waren. Anonym war bereits verbreitet worden, es sei ein Frevel an Giringar, wenn ein Sohn aus dieser Verbindung König von T’wool würde. Der einzige legitime Erbe des Thrones sei in dem Fall Rakkarr von T’walun.
Der Ärger über diesen im t’woolischen Reich unerhörten Vorgang brachte Arendhar beinahe dazu, tatsächlich aufzustehen und die anderen hungern zu lassen. Damit aber hätte er jedoch auch jene vor den Kopf gestoßen, die unerschütterlich zu ihm und seiner Dynastie standen.
»So in Gedanken, König von T’wool?«, fragte eine bekannte Stimme.
Arendhar blickte sah auf und sah Tharon neben sich stehen, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
In der einfachen, schwarzen Kutte und dem breitkrempigen Magierhut wirkte der Evari gegen die in ihre Staatsgewänder gekleideten Höflinge wie eine Krähe unter schwarz, rot und silber gefärbten Prachtfasanen. Ein langes, in einer schlichten Scheide steckendes Schwert hing an seiner Seite, und der Beutel, in dem er Artefakte und andere magische Gegenstände bei sich trug, wirkte prall gefüllt.
Das letzte Mal hatte Arendhar den Evari so gesehen, als sie zu dem schlussendlich misslungenen Versuch aufgebrochen waren, einen Weg durch den grünen Wall von Rhyallun zu erzwingen. Es mussten sich große Dinge ankündigen, da Tharon sich erneut für Krieg und Kampf rüstete.
»Wünscht Ihr mich zu sprechen, erhabener Evari?«, fragte Arendhar und hoffte auf ein Ja. Es hätte ihm ermöglicht, seinen Gästen zu sagen, sie könnten weiteressen, und trotzdem den Saal zu verlassen.
Der
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