Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
Sinn.
»Komm …« Niall nahm sie bei der Hand und führte sie tiefer in die Höhle. »Komm und sieh, warum ich dich hergebracht habe.«
Sie gingen im Halbdunkel etwa fünfzehn Fuß weit in die Höhle hinein und erreichten eine Gabelung.
»Sei vorsichtig«, warnte er. »Es ist leicht, sich hier drinnen zu verlaufen.«
Caitrina umfasste seine Hand ein wenig fester und duckte sich, als sie eine kleine Kammer betraten. Ein paar Fackeln waren an den Wänden befestigt, und auf dem Erdboden befand sich ein behelfsmäßiges Lager, vor dessen Fußende ein riesiger Hirschhund ausgestreckt lag. Er sah beinahe aus wie Boru. Einer der Wachmänner ihres Vaters beugte sich über …
Und dort im flackernden Schein der Fackeln bekam Caitrina den zweitgrößten Schock ihres Lebens.
»Brian!« Sie rannte vorwärts, fiel vor ihm auf die Knie und nahm seinen schlaffen Körper in die Arme.
»Caiti!« Er hustete schwach. »Ich wusste, dass du kommen würdest. Genau wie Boru. Er hat auf mich gewartet, als ich zurückkam.«
Als sie erkannte, wie krank er war, gab sie ihn sanft frei. Sie ließ den Blick über ihn wandern und nahm jede Einzelheit des verwahrlosten Zustands ihres Bruders in sich auf: das schmale, schmutzige Gesicht, den Arm in der Schlinge, den blutbefleckten Verband um seinen Kopf.
Sie wandte sich zu Niall um. »Was ist passiert? Was fehlt ihm? Wir müssen Hilfe für ihn holen.«
Niall schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, dass er vor dem Jungen nichts sagen wollte.
Caitrina sah wieder zu Brian, doch er hatte die Augen geschlossen. Sie verspürte einen heftigen Stich in der Brust. Es musste all seine Kraft aufgezehrt haben, sie zu sehen. Sie zog das Plaid um seine Schultern zurecht, damit er es warm hatte, dann beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Erneut schimmerten Tränen in ihren Augen, und ein Kloß saß ihr in der Kehle vor Glück. Es war unglaublich. Niall und Brian waren beide am Leben. Sie sah sich um, denn halb erwartete sie …
Sie traf Nialls Blick. Er musste ihre stumme Frage erraten haben, denn er schüttelte traurig den Kopf. »Es tut mir leid, Caiti. Malcolm fiel nicht lange nach Vater.« Sein Gesicht verhärtete sich so, dass sie ihn kaum wiedererkannte. »Durch die Hand von Campbell of Auchinbreck: dem Bruder deines Ehemanns.«
Ein eiskalter Schauer durchlief sie. Das Glück, das sie mit Jamie gefunden hatte, fühlte sich plötzlich falsch an. Er durchbohrte sie mit seinem Blick, als wolle er sie dazu herausfordern, es zu leugnen, und sie zuckte unter der stummen Anklage zusammen. »Niall, ich kann es erklären …«
»Das wirst du auch, aber nicht hier.«
Sie verbrachte noch ein paar Minuten bei Brian und genoss einfach nur seinen Anblick. Auch wenn er schwach und offensichtlich ernsthaft krank war, so war er doch am Leben. Sanft strich sie ihm über die warme, feuchte Stirn. Gott, wie sehr sie sie vermisst hatte!
Da sie wusste, dass es im Augenblick nichts gab, was sie für ihn tun konnte, gab sie Brian noch einen Kuss auf die Stirn und folgte Niall zurück in die größere Kammer in der Nähe des Höhleneingangs.
Niall zog einen vertrockneten Baumstamm herbei, den sie als Stuhl benutzten. »Setz dich.«
Sie tat wie geheißen, und er setzte sich neben sie.
»Ich weiß, du hast viele Fragen, und ich werde mein Bestes tun, um sie zu beantworten. Aber dann wirst du auch ein paar Fragen von mir beantworten.«
Caitrina schluckte, denn sein Tonfall gefiel ihr nicht. Dann reckte sie das Kinn. Er hatte selbst einiges, wofür er ihr Rede und Antwort stehen musste. Monatelang hatte sie gelitten, weil sie glaubte, sie wären tot. Wie konnte er ihr nur keine Nachricht schicken? »Also gut.«
Niall räusperte sich und begann, seine Version der Geschehnisse vom Tag des Überfalls zu erzählen. »Nach der ersten Angriffswelle brach die Hölle los. Die Campbells hatten die Burg eingenommen, und Frauen und Kinder strömten aus dem Turm. Vater und Malcolm waren gefallen, und ich versuchte zu organisieren, was von den Männern übrig war. Er machte eine kurze Pause. Es war deutlich, dass die Erinnerung daran, was an jenem schwarzen Tag geschehen war, ihm sehr zusetzte. »Zu dem Zeitpunkt wusste ich, dass wir keine Chance hatten, die Burg wieder zurückzuerobern. Meine Hauptsorge war es, so viele von unseren Leuten zu retten wie möglich, indem ich sie in die Hügel führte, um sie neu zu sammeln und an einem anderen Tag wieder anzugreifen. Doch bevor ich Gelegenheit hatte, dich
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