Stolz und Verfuehrung
sollte, bis er sie das nächste Mal darauf ansprach. Dann konnte er ihr einen ordentlichen Antrag machen und ihr seine Gründe für die Heirat offenlegen.
Nur zu gern hätte sie ihn gedrängt, sich zu erklären - doch es war offensichtlich, dass er selbst sich seine Beweggründe nur zögernd eingestand. Wie lange hatte es gedauert, bis er schließlich das Wort »Heirat« ausgesprochen hatte?
Er mochte wissen, dass er sie heiraten wollte. Aber wusste er auch, warum? Warum er so empfand, warum dieser Weg aus seiner Sicht eine gute Idee war?
Oder hatte die Vorstellung irgendwann einfach Wurzeln geschlagen?
Em hegte den Verdacht, dass Letzteres der Fall war. Aber wie auch immer, von seiner Sicht der Ehe konnte sie sich nicht leiten lassen. Den in diesem Spiel war er immer noch die andere Partei.
Solange er ihr keinen ordentlichen Antrag gemacht hatte, musste sie ihm auch nicht antworten. Und bis dahin blieb ihr Zeit, sich über ihre eigenen Wünsche klar zu werden. Und die sollte sie nach Möglichkeit kennen, bevor er offiziell um sie anhielt und sie gezwungen war, ihm zu antworten.
Ems Blick konzentrierte sich wieder auf das Bestellbuch. Kopfschüttelnd schlug sie es auf. Ihre Einstellung zur Ehe würde sie nicht rasch zwischen zwei anderen Aufgaben klären können. Sie würde sich einen besseren Zeitpunkt suchen müssen. »Und bis dahin«, murmelte sie vor sich hin, »habe ich ein Gasthaus zu führen.«
Sie machte sich an die Arbeit. Es gehörte dazu, dass sie mehrmals am Tag durch den Gastraum schlenderte, besonders während der Mahlzeiten. Die Gäste schwärmten bereits von Hildas Törtchen, noch bevor das Essen serviert worden war. Phyllida und Miss Sweet trafen früh ein und sparten nicht mit Lob, bevor sie den Gasthof wieder verließen.
»Sie haben wahre Wunder vollbracht«, versicherte Phyllida und lächelte freundlich, »Juggs wird sich im Grabe umdrehen.«
Em erwiderte das Lächeln. Wäre Phyllida nicht Jonas’ Zwillingsschwester gewesen, hätte sie sie gern nach ihrer Meinung über die Ehe gefragt. Und doch ... sie stand in der Tür des Gasthauses und beobachtete, wie Phyllida und Miss Sweet auf der Straße Lucifer in die Arme liefen, der gerade aus der Schmiede kam. Die Gefühle, die Lucifers harte Gesichtszüge beim Anblick seiner Frau weicher werden ließen, das zarte Glühen auf Phyllidas Wangen ... all das deutete darauf hin, dass Phyllida sich der Ehe mit Hingabe widmete.
Em konnte sich schon denken, was Phyllida antworten würde auf die Frage nach dem Wichtigsten an einer Ehe. Liebe. Die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau war nach allgemeiner Auffassung die beste Grundlage für eine Ehe.
Der Anblick des Paares, das Arm in Arm die Straße hinunterging, die dunklen Köpfe dicht beieinander, ließ Em nachdenklich zurück.
War sie in Jonas verliebt? Liebte er sie?
Oder war diese namenlose und unbestimmbare Mischung aus Gefühlen, die zwischen ihnen herrschte, nichts als pure Lust?
Lust, Verlangen, Leidenschaft.
Obwohl Ems Erfahrung begrenzt war, hatte es ihrer Meinung nach zwischen Jonas und ihr all das gegeben: Lust, Verlangen, Leidenschaft. Aber was war mit der Liebe?
Das war, wie sie glaubte, die entscheidende Frage. Die Frage aller Fragen, wenn es um die Ehe ging.
War bei ihnen Liebe im Spiel? War es Liebe, was zwischen ihnen wuchs? War es ein Same, der ausgebracht war und nun keimen musste - oder war selbst das bereits geschehen?
Existierte die Liebe in verschiedenen Stufen? Mussten gewisse Voraussetzungen erfüllt sein?
Em rieb sich mit der Hand über die Stirn, versuchte vergeblich, die Runzeln zu glätten. Zu gern hätte sie auch ihre Unwissenheit fortgewischt. Aber weil das nicht möglich war, musste sie bei denen nach Weisheiten über die Ehe und die Liebe suchen, die sich damit auskannten.
»Bitte entschuldigen Sie, Miss.«
Sie schreckte auf und bemerkte, dass sie die Tür zum Gasthaus blockierte. »Ja, natürlich.« Em sah, dass Mr Scroggs, der unten an der Straße wohnte, nach draußen wollte, und trat beiseite. »Hat Ihnen unsere Pastete geschmeckt?«, fragte sie lächelnd.
»Sie war köstlich.« Mit dem Hut in den Händen senkte Scroggs den Kopf. »Kompliment an Hilda. Meine Gattin und ich werden heute Abend wiederkommen. Sie sagt, dass sie Hildas Gerichte lieber isst als ihre eigenen.«
Em lachte. »Wir werden Ihnen einen Platz reservieren und freuen uns darauf, Sie beide bewirten zu dürfen.«
Scroggs nickte wieder und machte sich auf den Heimweg.
Als sie
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