Stolz und Verfuehrung
die im Gasthaus gewesen waren, als sie den Schatz angeschleppt hatten, hatten ihn gesehen. Und gehört, wo er untergebracht werden sollte.
Gestern hatte die Geschichte von dem Schatz sich erst langsam über die Grenzen des Dorfes verbreitet. Aber während des gestrigen Tages, als Ems Zimmer durchwühlt worden waren, hatten nur diejenigen Bescheid gewusst, die im Ort wohnten. Und nur diejenigen, welche die Geschichte gleich am ersten Abend erfahren hatten, hätten die Zeit aufbringen können, eine so wohldurchdachte Suche in Gang zu bringen.
Tagsüber waren Ems Zimmer die meiste Zeit leer - anders als der Platz am unteren Bereich der hinteren Treppe. Ein Mensch, der nicht im Gasthaus arbeitete, hatte nur wenig Möglichkeiten, sich ungesehen in der Nähe der Küche herumzutreiben.
Es gab nur einen anderen Weg zu Ems Wohnräumen: über die Haupttreppe. Aber mit Edgar hinter dem Tresen und den vielen Menschen im Schankraum war es unmöglich, dass sich ein Fremder Zutritt verschaffte, ohne dass andere ein Wort darüber verloren hätten.
Es war also ausgeschlossen, dass es sich um einen Außenseiter handelte, der die Neuigkeiten zufällig erfahren hatte, irgendwoher wusste, wie man in Ems Zimmer gelangte und seinen Einbruch auch noch so einzurichten verstand, dass er nicht erwischt wurde. Wer auch immer hinter dem Schlüssel her gewesen war - sie mussten ihn kennen. Und es musste sich um jemanden handeln, der schon am ersten Abend dabei gewesen war, applaudiert und mit ihnen auf das Wohl der Colytons getrunken hatte.
Der Hauptverdächtige war eindeutig Harold Potheridge. Er lungerte im Dorf herum, hielt sich besonders oft im Gasthaus auf. Oft genug, um in Erfahrung zu bringen, wo, wie und wann er auf die Suche gehen musste.
Die Hände in den Taschen und mit gesenktem Blick ging Jonas weiter.
Lucifer hatte diese Einschätzung geteilt und seinen Kammerdiener Dodswell beauftragt, ein Auge auf Potheridge zu haben. Kaum hatte er von dem Einbruch erfahren, hatte Dodswell diesen Auftrag gern übernommen. Er gehörte zu jenen Leuten, die die unheimliche Fähigkeit besaßen, zu sehen, ohne gesehen zu werden.
Jonas wollte die nächsten ein bis zwei Stunden mit geschäftlichen Angelegenheiten verbringen. Nach dem Mittagessen würde er wieder ins Gasthaus zurückkehren und Hilda und die Mädchen befragen, insbesondere auch die Zimmer- und die Waschmädchen. Vielleicht hatten sie irgendjemanden an der hinteren Treppe gesehen.
Der Schatz war in Sicherheit, solange der Schlüssel in Sicherheit war. Er hatte ihn in seinen Privaträumen im Gutshaus untergebracht. Niemand würde auf die Idee kommen, dort nachzusehen. Wegen der Hausangestellten, und da im Gutshaus für gewöhnlich keine Gäste ein- und ausgingen, konnte man dort längst nicht so leicht eindringen wie in das Red Beils.
Ein Ast knackte, dicht hinter ihm.
Jonas wollte sich umdrehen ...
Es war, als ließe der Schmerz seinen Schädel explodieren.
Er sah nichts, hörte nichts, wusste nichts mehr, als der Erdboden bedenklich näher kam.
Mit der Bestellliste in der Hand war Em gerade eben in die Küche des Gasthauses gegangen, um mit Hilda die Speisekarte für die kommende Woche zu besprechen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung vor dem Fenster erhaschte.
Sie schaute hin - und entdeckte Jonas, der sich eine Hand an den Kopf presste und taumelnd und schwankend den Nutzgarten durchquerte ... Em war aus der Küche gelaufen, bevor sie auch nur einen einzigen klaren Gedanken fassen konnte. Hilda, die Küchenmädchen und John Ostler folgten ihr auf den Fersen.
»Jonas!«
Sie fasste nach ihm, stützte ihn, als er mit geschlossenen Augen schwankend innehielt, offenkundig vor Schmerz.
»Jemand hat mich auf den Kopf geschlagen. Auf dem Pfad durch den Wald.«
»Hier.« John tauchte mit einer Schulter unter Jonas’ Arm.
Rasch ergriff Em seinen anderen Arm, den sie über ihre Schulter schlang.
Hilda schickte nach einer Schüssel Wasser und ein paar Tüchern. Sie hatte sich vor Em, Jonas und John an die Spitze des Trupps gesetzt und scheuchte die Mädchen vor sich her.
Als Em und John ihn wenig später langsam auf den Stuhl am Küchentisch gleiten ließen, hatte Hilda alles im Griff. Sie wrang ein Tuch aus und drückte es sanft an Jonas’ Kopf, schob das dichte Haar auseinander, beäugte die Stelle und betupfte sie vorsichtig. »Ein übler Schlag.«
Es juckte Em in den Fingern, ihr das Tuch abzunehmen, aber Hilda kannte sich offensichtlich aus.
Jonas zuckte
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