Stolz und Verfuehrung
hatte er ihr geantwortet, dass sie sich irrte.
Jonas stützte die Hände in die Hüften, blieb stehen und schaute zu, wie sie weiter den Weg entlangging - ließ sich ihre Leugnung, ihre zurückweisenden Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Und noch einmal.
Sie blieben nicht haften. Passten nicht. Weil sie falsch waren.
Nein, die Worte passten nicht zu seinen Empfindungen - und auch nicht zu dem, was sie in Wahrheit fühlte.
Em hatte eine Frage gestellt, die weder sie noch er hatten beantworten können. Was also wollte er eigentlich? Was hatte all das zu bedeuten?
Jonas ließ die Arme sinken und folgte ihr die Straße hinunter.
Zehn Minuten später ließ er sich in die dämmrige Ecke an der Theke im Gasthaus sinken und gönnte sich einen kräftigen Schluck Ale, das Edgar für ihn gezapft hatte.
Er hatte Em bis zum Red Beils verfolgt. Mit hocherhobenem Kopf war sie ins Haus gerauscht, hatte sich umgeschaut und in ihrem Büro Zuflucht gesucht.
Anstatt ihr weiter auf den Fersen zu bleiben, hatte er sich in die dunkle Ecke zurückgezogen.
Ob es Absicht gewesen war oder nicht, sie hatte ihm einen weiteren Fehdehandschuh vor die Füße geschleudert. Hatte ihn vor eine weitere Herausforderung gestellt - vor eine Hürde, die er überwinden musste, wenn er seine Verfolgung fortsetzen wollte.
Sie hatte ihn aufgefordert, besagte Verfolgung näher zu beschreiben, ihr zu erklären, was genau er im Schilde führte.
Es war, wie er eingestehen musste, eine berechtigte und vernünftige Forderung.
Em hatte angenommen, war sogar überzeugt gewesen, dass er, weil er nicht sofort geantwortet hatte, keine ernsten Ab-sichten hegte. Aber es war ihm ganz und gar ernst. Geradezu tödlich ernst. Nur dass er seine Absichten noch nicht bis zu ihrem folgerichtigen Ende erkannt und das letzte Ziel noch nicht bestimmt hatte. Aber dieser Mangel bedeutete nicht, dass er das endgültige Ziel nicht erreichen wollte - er hatte es nur noch nicht in Worte gefasst.
Das war nicht leicht. Und das wiederum lag nicht zuletzt daran, dass diese Angelegenheit, die ihn und sie betraf und sich zwischen ihnen entwickelte, nicht besonders viel mit Logik und Folgerichtigkeit zu tun hatte.
Oder mit Vernunft. Er konnte es so gründlich analysieren, wie er wollte, aber es blieb dabei: Je mehr sie miteinander zu tun hatten, desto mehr wurden seine Handlungen und die Begegnungen mit ihr allein von Gefühlen und Empfindungen gesteuert. Mehr noch, sie wurden gesteuert von ihren Reaktionen auf diese Gefühle und Empfindungen - ein Verhalten, das jeder Vernunft widersprach.
Jonas lehnte sich an die Wand, streckte die Beine aus, nippte an seinem Ale - und während der Nachmittag verrann, schaute er Emily Beauregard zu, wie sie in seinem Gasthaus hin und her eilte, ihre Aufgaben als Wirtin erledigte und gelegentlich aus zusammengekniffenen Augen in seine Richtung blitzte.
Was wollte er von ihr? Mit ihr?
Er konnte die Frage ansatzweise beantworten. Er wollte sie in seinem Bett haben, wollte, dass sie sich ihm anvertraute - und er fühlte sich aus irgendwelchen Gründen dafür verantwortlich, ihr sämtliche profanen Sorgen von den schmalen Schultern zu nehmen. Andere Wünsche gaben sich seinem Geist noch deutlicher zu erkennen. Er wollte sie beschützen, wollte sein Leben mit ihr teilen.
Alles in allem, was wollte er? Welchen Platz sollte sie wirklich einnehmen?
Und war er sich vollkommen sicher, dass er genau das brauchte?
Als er schließlich aufstand, den leeren Krug Ale auf die Theke stellte und zur Tür ging, hatte er die Antworten auf seine Fragen ebenso klar vor Augen wie auf die Antwort auf ihre Frage.
Jonas hatte sein letztes, endgültiges Ziel formuliert.
Jetzt gab es nur noch eins zu tun: Er musste sie zu diesem Ziel lenken. Und sie davon überzeugen, dass es auch ihr Ziel war.
8
Am nächsten Vormittag saß Em in ihrem Büro, klammerte die Finger um die Schreibunterlage und ließ den Blick durch den Raum schweifen, während sie grübelte, wie sie ihre Schatzsuche am besten fortsetzen sollte. Es schien der vernünftigste Weg zu sein, das Alter von Ballyclose Manor zu ermitteln, bevor sie sich darauf stürzte, die Kellerräume zu durchsuchen - selbst wenn dieser Weg mit Hindernissen übersät schien.
Ihre Verwirrung wegen Silas Coombe war geblieben. Aber darunter lag eine Unruhe, ein Gefühl der Unzufriedenheit, das ihr noch viel größere Sorgen machte.
Entschlossen verdrängte sie die Empfindungen und verbrachte lange Minuten damit, nach einem
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