Stolz und Verfuehrung
auf sie hinunter, beobachtete sie, während sie ihn durchdringend musterte, ließ es zu, dass sie seinen Blick erforschte. Zum ersten Mal dachte sie ernsthaft darüber nach, ihm ihr Vertrauen zu schenken, ihn an sich heranzulassen, seine Unterstützung anzunehmen; an ihren Augen konnte er sehen, wie sie innerlich heftig mit sich rang. Und er vermutete, dass es sein Blick war, der sie schließlich die Lippen fest zusammenpressen und, wenngleich zögernd, den Kopf schütteln ließ.
Em richtete den Blick wieder geradeaus und marschierte weiter.
Enttäuscht, aber nicht unbedingt überrascht, blieb er an ihrer Seite. Er sah sie an und fragte sich, wie er diese letzte Hürde überwinden konnte; wie er sie dazu bringen konnte, ihn zu akzeptieren und anzuerkennen, dass er das Recht hatte, ihr bei welchem Vorhaben auch immer zu helfen ... Jetzt erst bemerkte er die Farbe auf ihren Wangen.
Jonas spürte, wie ihm buchstäblich kalt wurde, nicht weil er fror, sondern weil urplötzlich die kalte Wut in ihm hochschoss. Er atmete tief durch und hielt seine Stimme ruhig. Wählte seine Worte sorgfältig. »Emily ... Coombe ist dafür berüchtigt, dass er ... die Äußerungen mancher Ladys falsch deutet. Dass er in die Worte einer Lady hineinliest, was er gern aus ihnen heraushören möchte. Ich weiß, dass er so etwas in der Vergangenheit mit Phyllida gemacht hat.« Er senkte den Kopf und schaute ihr ins Gesicht. »Er hat doch nicht etwa Ihre Absichten falsch gedeutet, oder?«
Dass ihr die Röte in die Wangen schoss, reichte ihm als Antwort.
Jonas blieb abrupt stehen. »Was hat er getan?« Er streckte den Arm aus und nötigte Em, ihn anzuschauen.
Em blinzelte, war wieder erstaunt - nein, schockiert - über seinen Tonfall. In seiner grollenden Stimme und in seinem schwelenden Blick lag etwas viel Primitiveres als der galante Beschützerinstinkt eines Gentlemans. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Em schluckte ihre Überraschung hinunter und schüttelte den Kopf. »Nichts!«
Jonas zeigte keine Spur der Entspannung. Wenn überhaupt, dann wurden seine Züge noch grimmiger. »Er hat nichts getan«, wiederholte Em mit lauter werdender Stimme.
Solange er mit ihr in die entgegengesetzte Richtung marschierte, konnte er Coombe nicht in Stücke reißen. Em setzte sich wieder in Gang. Er zögerte für den Bruchteil einer Sekunde und folgte ihr dann. Sie deutete mit dem Kopf in seine Richtung. »Ja, er hat meine Absichten falsch gedeutet. Aber wenn Sie sich einbilden, ich wäre unfähig, einen Gentleman in die Schranken zu weisen, dann sind Sie gewaltig ...«
»... im Recht?«
Sein Grimm hatte nicht nachgelassen. Em spürte wieder die Röte auf ihren Wangen bei dem Gedanken, dass sie ihn bisher nicht in seine Schranken hatte verweisen können. »Sie sind ein echter Starrkopf«, fuhr sie angespornt fort, »die meisten Männer nehmen mich beim Wort und schätzen meine Entschlossenheit richtig ein. Recht schnell.«
Jonas schnaubte, aber seine langen Schritte wurden noch länger, bis er wieder an ihrer Seite war. Em wollte sich gerade beglückwünschen, dass sie die Schlacht gewonnen hatte, als er unbeeindruckt sagte: »Ich werde Coombe dennoch einen Besuch abstatten.«
Ihre Stimmung sank auf den Nullpunkt. Zischend ließ sie ihrer Enttäuschung freien Lauf und versperrte ihm den Weg. »Nein, das werden Sie nicht!« Mit geballten Fäusten schaute sie ihm in die Augen. »Ich bin nicht Ihr Mündel. Überhaupt gehöre ich in keiner Hinsicht Ihnen. Es geht Sie rein gar nichts an, was zwischen Coombe und mir passiert ist. Nur weil Sie mich geküsst haben, und ich fehlgeleitet genug war, Ihren Kuss zu erwidern ... hat das alles noch lange keine Bedeutung, wie Sie sehr genau wissen!«
Sein Gesichtsausdruck war seltsam leer geworden. Einen Moment lang schaute er sie an, bevor er sagte: »Das alles soll keine Bedeutung haben?«
Verzweifelt breitete Em die Hände aus. »Was um Himmels willen sollte es denn bedeuten, wenn es nach Ihren Wünschen ginge?«
Als Jonas in ihre strahlenden Augen schaute, stellte er fest, dass er die Antwort auf ihre Frage nicht kannte. Er hatte nicht darüber nachgedacht, hatte sich selbst diese Frage noch nie gestellt.
Em erforschte seinen Blick, schien seine Ratlosigkeit zu spüren und sagte dann sehr nachdrücklich: »Genau.« Sie drehte sich um und ging weiter. »Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Jonas Tallent, viele Male sogar - nämlich, dass ich Sie rein gar nichts angehe.«
Und ebenso viele Male
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