Stolz und Verfuehrung
»Das Herrenhaus hat sie nur flüchtig erwähnt. Ich habe vielmehr den Eindruck gewonnen, dass sie sich jetzt auf das Gutshaus konzentriert.«
Lucifer zog die Brauen hoch. »Interessant. Obwohl ich immer noch keine Ahnung habe, was das zu bedeuten hat.«
Die Schritte auf den Fliesen in der Halle ließen Phyllida zur Tür schauen. Die Tür öffnete sich, Jonas schaute herein und kommentierte die Familienszene mit einem ebenso breiten Lächeln wie Phyllida, bevor er eintrat.
Er blieb am Ende des Sofas stehen, wo auch Lucifer ihn sehen konnte, grüßte mit einem Nicken und warf dann einen Blick auf Phyllida. »Gerade habe ich Henry Beauregard zum Gasthaus zurückbegleitet, nach unserer Ausfahrt. Em war nicht dort. Habt ihr sie gesehen?«
Phyllida zog die Brauen hoch. »Ja, das habe ich tatsächlich«, verkündete sie und berichtete, was sie erfahren hatte.
Niemand hatte einen Bekannten in York, den sie über die Beauregards hätten ausfragen können.
Phyllida musterte Jonas. »Hast du von Henry irgendetwas erfahren?«
Jonas schüttelte den Kopf. »Als ich ihn nach der Vergangenheit seiner Familie fragte, wurde er sehr vorsichtig und misstrauisch. Er ist zu klug, um sich hinters Licht führen zu lassen. Wenn er über das Thema nicht sprechen will, dann wird er es schlicht nicht tun. Mit anderen Worten, ich bin keinen Schritt weiter.«
Zögernd ließ er den Blick von Phyllida zu Lucifer schweifen. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es der beste Weg ist, Em bei ihrer Suche nach was auch immer nach Kräften zu unterstützen, ihr alle Fragen zu beantworten. So finden wir am ehesten heraus, worum es ihr eigentlich geht.«
Lucifer verzog das Gesicht. »Es wäre hilfreich, wenn sie ihre Fragen unverblümt stellen würde. Noch besser natürlich, wenn sie uns einfach sagt, hinter was sie her ist.«
»Könnte sein, dass sie es bald tut, jetzt da sie uns besser kennenlernt«, vermutete Jonas.
»Ihr Interesse scheint sich von Ballyclose auf das Gutshaus verlagert zu haben.« Phyllida zog die Brauen hoch. »Ich frage mich, warum.«
Jonas runzelte die Stirn. »Wenn du Pommeroy über den Weg läufst, könntest du dich bei ihm erkundigen, ob Em ihn nach Ballyclose gefragt hat. Im Moment meidet er meine Gesellschaft.« Er hatte nicht die Absicht, sich über die Gründe auszulassen, obwohl Lucifers plötzlich durchdringender Blick den Verdacht nahelegte, dass zumindest sein Schwager eine Ahnung hatte.
Phyllida nickte. »Langsam habe ich den Eindruck, dass das, wonach sie sucht, sehr alt ist ... und irgendwie mit der Geschichte längst vergangener Zeiten zusammenhängt. Und mit Sicherheit handelt es sich um eine handfeste Sache, einen Gegenstand. «
Jonas nickte zustimmend. »Wenn wir nur wüssten, um welchen. «
Wenn sie nur wüssten, wonach Em suchte, könnten sie ihr höchstwahrscheinlich weiterhelfen, und dann ...
Und dann könnte er sie dazu bringen, sich auf ihn zu konzentrieren und auf das, was sich zwischen ihnen entwickelte, anstatt auf ihre Suche.
Am nächsten Vormittag ritt Jonas in langsamem Galopp über die Ländereien seines Vaters, folgte dem Lauf des Flüsschens Coly, bis es in die Axe mündete. Weiter unten hatte er die Reusen überprüft. Es war alles in Ordnung gewesen, und er hatte sich auf den Rückweg zum Gutshaus gemacht. Dabei hatte er seinen Blick über die Felder seines Vaters schweifen lassen und über Emily Beauregard nachgedacht.
Es lag nicht nur an seinem Wunsch nach ungeteilter Aufmerksamkeit, dass er ihre Suche zu einem schnellen und zu-friedenstellenden Ende bringen wollte. Denn er hatte endlich begriffen, warum ihr geheimes Vorhaben ihm solches Unbehagen bereitete. Ihre strenge Geheimhaltung bedeutete, dass irgendwo Gefahren lauerten, aus irgendeiner Richtung, die er noch nicht ausmachen konnte - weil er keine Ahnung hatte, wonach sie suchte.
Beim Gedanken daran, dass sie in Gefahr geraten könnte, verflog jegliche Gelassenheit. Warum das so war, wusste er sehr genau. Weil er endlich akzeptiert hatte, was sie ihm bedeutete.
Jonas blinzelte in die Morgensonne und drängte seinen schwarzen Wallach Jupiter weiter.
Er hätte das umherstreifende Paar im Mais vielleicht gar nicht bemerkt, wenn es nicht gekichert hätte - so laut, dass Jupiter aufmerkte, den Kopf schüttelte und die Ohren anlegte.
Jonas zügelte sein Pferd neben einem Gebüsch und beobachtete zwei helle Köpfe, die sich ihren Weg durch das Feld bahnten und unmittelbar auf das Flussufer zusteuerten.
Der Coly war ein
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