Stolz und Verlangen
weil ich dir die heutige Zeitung zeigen wollte“, hob er ohne Einleitung an.
Molly folgte ihm in sein Arbeitszimmer und blickte auf die Tageszeitung, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. Ihr wurde die Kehle eng, als sie die Fotos sah. Eines zeigte eine Frau mit wirren Haaren und halb geschlossenen Lidern, die auf einen Wagen zugeführt wurde, das andere dieselbe Frau auf dem Rücksitz des Wagens, das Kleid an den Schenkeln hochgerutscht, wie bewusstlos den Kopf zur Seite gerollt. Sie hatte noch nie unvorteilhaftere Bilder von sich gesehen.
„Wie konntest du dich nur in eine solche Situation bringen?“, zischte Leandro wütend. „Hast du überhaupt nicht an die Gesundheit des Babys gedacht?“
„Ich habe keinen Tropfen Alkohol getrunken, ich war einfach nur müde“, rechtfertigte sie sich erschüttert. „Von diesen Fotos bekommt man den falschen Eindruck …“
„Du meinst, du warst also nicht bis um vier in der Früh mit unserem Verwalter in einem Nachtclub? Und du musstest auch nicht von ihm praktisch zum Wagen geschleift werden?“
Molly schluckte schwer. Erst jetzt erkannte sie, dass es Fernando war, der sie dort auf dem Foto über den Bürgersteig führte. „Wir waren mit einer ganzen Gruppe unterwegs, und er war auch dabei.“
Unter der Sonnenbräune wurde Leandro blass. „Er hat die Nacht mit dir in der Wohnung meiner Schwester verbracht. Er ist gesehen worden, wie er heute Morgen das Haus verließ!“
Molly wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, ohne Julieta zu verraten. Aber wie konnte Leandro von ihr denken, dass sie mit einem anderen schlafen würde! Hatte er denn überhaupt keinen Respekt vor ihr?
„Ich habe keine Affäre mit Fernando. Er ist nicht mein Typ. Und wenn ich es recht bedenke … so aggressiv, wie du da jetzt vor mir stehst, bist du auch nicht mein Typ“, meinte sie schnippisch. „Es tut mir sehr leid, wenn diese Fotos dir peinlich sind, aber ich stand weder unter dem Einfluss von Alkohol noch etwas anderem. Ich war einfach nur sehr, sehr müde. Ansonsten habe ich mich für nichts zu entschuldigen.“
„Ich glaube dir nicht“, knurrte er beißend. „Ich will die Wahrheit hören.“
„Das ist die Wahrheit.“ Teils fühlte Molly sich eingeschüchtert von ihm, teils war sie maßlos wütend auf ihn, weil er so wenig Vertrauen zu ihr hatte und ihr nicht glaubte. „Ich bin mit Julieta ausgegangen, um ihren Geburtstag zu feiern.“
„Warum hast du mir dann nicht sagen wollen, wo du bist, damit ich hinkommen kann?“
Molly trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sie wünschte, sie müsste Julieta nicht decken, aber sie wollte auch die Freundschaft zu ihrer Schwägerin nicht gefährden. „Ich wollte einfach nur einen Abend Pause von der Rolle als deine Ehefrau haben. Ist das etwa ein Verbrechen?“
Bei ihrer achtlosen Bemerkung wurde seine Miene hart. „Wie lange geht das schon mit dir und Santos?“
„Vielleicht hättest du ja gern, dass ich untreu bin, damit du dich von mir scheiden lassen kannst. Geht es darum? Dir ist klar geworden, dass du mit der Heirat einen Fehler gemacht hast, und jetzt suchst du nach dem billigsten Ausweg?“
„Du redest Unsinn“, entgegnete er eisig.
„Nein. Aber ich will einen Ausweg!“, schleuderte sie ihm wütend entgegen. „Ich will mein altes Leben zurück. Warum sollte es dir nicht genauso ergehen? Du bist nie zu Hause, und ich bin einsam. Ich wünsche mir einen Ehemann, der Interesse an mir zeigt und mit dem ich Dinge teilen kann. Aber du bist so beschäftigt damit, Geld zu verdienen, dass du keine Zeit für mich und das Baby hast. Ich will etwas anderes als dein Geld, deinen Titel und die gesellschaftliche Position. Das alles bedeutet mir nichts!“
„Du hast genug gesagt“, wies Leandro sie eisig zurecht. Diese völlig aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen waren nur dazu gedacht, um von ihrem unentschuldbaren Benehmen abzulenken. Er war so wütend auf sie, dass er sich selbst nicht traute. „Ich muss jetzt nach Genf abfliegen. Ich sehe dich dann morgen.“
„Du hast mir damals gesagt, dass du mir keine Liebe geben kannst“, flüsterte sie erstickt. „Aber was hast du mir denn bisher überhaupt gegeben?“
Leandro stöhnte leise auf. Er weigerte sich, sich diesen Unsinn noch länger anzuhören. Solange sie alles abstritt, gab es nichts mehr zu bereden. Er würde die Wahrheit schon aus Julieta herausholen. Sollte Molly ihn betrogen haben, würde ihm keine andere Möglichkeit bleiben, als die
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