Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
damit wird die Angelegenheit endgültig erledigt sein.«
Darauf entsann er sich ihrer Verlegenheit, als er ihr neulich Mr. Collins’ Brief vorgelesen hatte, und nachdem er Elisabeth noch eine Weile damit geneckt hatte, entließ er sie mit den Worten: »Falls sich noch ein paar junge Männer für Kitty und Mary melden sollten, schick sie nur gleich herein; ich habe im Augenblick nichts Wichtiges vor!«
Elisabeth hatte das Gefühl, von einer schweren Last befreit zu sein, und als sie nun zu den anderen zurückkehrte, konnte sie ihnen wieder ihr gewohntes fröhliches Gesicht zeigen. Sie fühlte sich nur noch zu benommen, um ihrem Glücksgefühl darüber, daß ihrer Liebe jetzt kein Hindernis mehr bevorstand, lebhafteren Ausdruck zu geben. Aber trotzdem verlief der Rest des Abends heiter und zufrieden.
Als ihre Mutter später in ihr Schlafzimmer ging, folgte sie ihr und teilte ihr die große Neuigkeit mit. Die Wirkung ihrer Worte war wirklich verblüffend: Mrs. Bennet saß zuerst ganz still, wie gelähmt da, und war völlig außerstande, auch nur eine einzige Silbe von sich zu geben. Und es dauerte viele, viele Minuten, bis ihr das eben Gehörte in seiner ganzen Bedeutung aufging, obgleich sie doch sonst nicht so schwer von Begriff war, wenn es sich um irgendeinen Vorteil für ihre Familie oder gar um einen Mann für ihre Töchter handelte. Allmählich erwachte sie aber aus ihrer Betäubung, begann auf ihrem Stuhl hin- und herzurutschen, stand auf, setzte sich wieder und ließ dann ihrem Staunen und ihren Worten freien Lauf.
»Du lieber Himmel! Wer hätte das gedacht! Mein Gott! Mr. Darcy! Und du machst keinen Scherz? Ach, meine liebste Lizzy! Wie reich und vornehm du sein wirst! Was für eine Menge Geld, was für kostbaren Schmuck und wie viele Wagen wirst du jetzt bekommen! Jane ist ja nichts dagegen — gar nichts! Ich bin so froh — so glücklich! Ein so reizender Mann! Und wie gut er aussieht, so groß und so vornehm! Ach, meine liebe Lizzy, verzeih mir bitte, daß ich ihn so unsympathisch fand. Hoffentlich wird er es mir bitte nicht nachtragen. Liebe, liebste Lizzy! Ein Haus in London! Kannst du dir Besseres wünschen? Drei verheiratete Töchter! Zehntausend Pfund im Jahr! Mein Gott, ich weiß wirklich nicht, wo mir der Kopf steht! Ich werde bestimmt noch verrückt vor Glück!«
Elisabeth war beruhigt — ihre Mutter schien keine Einwendungen machen zu wollen. Sie frohlockte innerlich, daß niemand als nur sie selbst diesen Erguß ihrer Mutter mit anzuhören brauchte. Sie war noch nicht zwei Minuten in ihrem eigenen Zimmer, da kam ihre Mutter ihr schon nach.
»Meine liebste Elisabeth«, rief sie, »ich kann es noch nicht fassen! Zehntausend und wahrscheinlich noch mehr! Das ist ebenso viel wert wie ein Lordtitel. Eine Doppelhochzeit natürlich, du mußt deine Heirat einfach beschleunigen! Und sag mir doch noch, meine Liebe, was Mr. Darcy besonders gern ißt, damit ich es für morgen bestellen kann!«
Dies war allerdings ein schlechtes Vorzeichen für das Benehmen ihrer Mutter am folgenden Tag; und Elisabeth mußte die Entdeckung machen, daß sie trotz der Gewißheit seiner Liebe, trotz der Billigung ihrer Eltern doch noch etwas wußte, was sie sich gern gewünscht hätte. Aber der nächste Tag verlief viel besser, als sie erwartet und gefürchtet hatte, denn Mrs. Bennet empfand glücklicherweise einen solchen Respekt vor ihrem zukünftigen Schwiegersohn, daß sie ihn kaum anzureden wagte, außer um ihm eine Aufmerksamkeit zu erweisen oder die Richtigkeit seiner Worte nachdrücklich zu bestätigen.
Zu ihrer besonderen Freude bemerkte Elisabeth, daß ihr Vater sich die Mühe machte, Darcy näher kennen zu lernen, und er versicherte ihr vor dem Schlafengehen, daß ihr Verlobter stündlich mehr in seiner Achtung gestiegen sei.
»Ich bewundere alle meine drei Schwiegersöhne«, meinte er, »Wickham allerdings vielleicht am meisten; aber ich glaube, ich werde deinen Mann mindestens ebenso liebgewinnen wie Janes Auserwählten.«
60. KAPITEL
N un sie aller Ungewißheit ledig war, fand Elisabeth bald ihre frühere übermütige Laune wieder, und so fragte sie eines Tages ihren Verlobten, wie er eigentlich dazu gekommen sei, sich in sie zu verlieben.
»Wie hat es angefangen?« meinte sie. »Ich kann ja verstehen, daß du nicht so leicht wieder aufhören konntest, nachdem der Anfang erst einmal gemacht war; aber was hat deinem Herzen den ersten Anstoß gegeben?«
»Nun, ich kann nicht mehr genau sagen, welche
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