Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
ihrer Zukunft Sorgen machen werde. All diese Überlegungen bedrückten sie, und sie saß dort auf ihrem Stuhl wie ein wahres Häufchen Unglück, bis Darcy wieder hereinkam und sie mit seinem Lächeln etwas aufmunterte. Nach wenigen Minuten kam er zu dem Tisch herüber, an dem sie mit Kitty saß, und während er zum Schein ihre Handarbeit bewunderte, beugte er sich herunter und flüsterte ihr zu: »Dein Vater erwartet dich oben.«
Elisabeth ließ sich das nicht zweimal sagen.
Ihr Vater schritt mit einem nachdenklich ernsten Gesicht in seinem Zimmer auf und ab.
»Was machst du bloß, Lizzy?« sagte er, als sie eintrat, »bist du denn von allen guten Geistern verlassen, diesem Mann dein Jawort zu geben? Bist du es nicht gewesen, die ihn immer am meisten verabscheut hat?«
Was hätte sie jetzt nicht darum gegeben, ihre Meinung früher weniger voreilig, weniger laut geäußert zu haben! Es würde ihr die peinlichen Erklärungen und Geständnisse erspart haben, zu denen sie jetzt gezwungen war. Aber das Vergangene ließ sich nicht mehr ungeschehen machen, und so bat sie denn ihren Vater in einiger Verlegenheit, ihrer Liebe zu Darcy versichert zu sein.
»Oder anders ausgedrückt, du hast dir überlegt, daß es gut und vernünftig ist, ihn zu nehmen. Er ist reich, und du wirst noch schönere Kleider und noch vornehmere Wagen haben können als sogar Jane. Aber wird das genügen, um dich glücklich zu machen?«
»Ist das dein einziger Einwand«, sagte Elisabeth, »daß du glaubst, er sei mir — von seinem Reichtum abgesehen — gleichgültig?«
»Der einzige. Wir kennen ihn ja alle gut als den hochmütigen, unfreundlichen Kerl, der er ist. Aber das wäre alles nicht so schlimm, wenn du ihn wirklich liebst.«
»Aber ich liebe ihn doch! Wirklich!« rief Elisabeth mit Tränen in den Augen aus. »Er ist durchaus nicht hochmütig! Er ist der liebenswerteste Mensch, den es gibt! Du kennst ihn ja gar nicht richtig; tu mir bitte den Gefallen und sprich nicht so von ihm! Du tust mir weh damit!«
»Hör zu, Lizzy«, sagte ihr Vater. »Ich habe ihm meine Einwilligung gegeben. Er gehört zu den Menschen, denen ich nie etwas verweigern könnte, wenn sie sich dazu herablassen, mich darum zu bitten. Ich gebe dir sie natürlich auch, wenn du dich nun einmal darauf versteift hast, ihn zu bekommen. Aber laß dir den guten Rat geben und überlege es dir noch einmal und besser. Ich kenne dich doch, Lizzy. Ich weiß, daß du niemals richtig glücklich sein würdest, wenn du nicht mit wirklicher Achtung zu deinem Mann aufsehen, wenn du ihn nicht in jeder Hinsicht als dir überlegen oder jedenfalls ebenbürtig betrachten kannst. Mein liebes Kind, tu du mir nicht auch den Schmerz an, einen Lebensgefährten zu wählen, der deiner Liebe und Achtung nicht wert ist. Du weißt nicht, was du damit anrichten würdest!«
Elisabeth war tief bewegt über die aufrichtige Sorge, die aus ihres Vaters Worten sprach; sie wiederholte ihre Versicherung, daß Darcy wirklich die Wahl ihrer Liebe sei; sie versuchte, den allmählichen Wechsel ihrer Gefühle für ihn zu erklären, sie beteuerte, daß auch seine Liebe zu ihr schon viele Hindernisse und eine langwierige Ungewißheit siegreich überwunden habe, und zählte zuletzt mit einem solchen Eifer alle seine guten Eigenschaften auf, daß sie schließlich die Zweifel ihres Vaters zerstreute und ihn mit dem Gedanken an diese Ehe versöhnte.
»Nun, mein Kind«, sagte er, als sie aufgehört hatte zu sprechen, »nach all dem kann ich natürlich nichts mehr einwenden. Wenn alles, was du erzählt hast, wahr ist, dann verdient er dich wirklich. Ich hätte dich sehr ungern einem weniger guten Mann gegeben, Lizzy.«
Um den günstigen Eindruck zu vervollständigen, verriet Elisabeth ihm dann noch, was Darcy alles aus freien Stücken für Lydia getan hatte. Er hörte es mit wachsendem Erstaunen.
»Heute abend geschehen wahrhaftig Wunder! Also Darcy hat das alles erledigt: die Heirat durchgesetzt, das Geld gegeben, die Schulden des Burschen bezahlt und ihm außerdem noch ein Offizierspatent verschafft! Nun, umso besser! Es wird mir eine ganze Menge ersparen — nicht nur Mühe! Wenn dein Onkel dahintergesteckt hätte, dann müßte und würde ich ihm diese Auslagen zurückerstatten; aber mit so einem stürmischen jungen Liebhaber kann man ja Gott sei Dank nicht reden. Ich werde ihm morgen das Anerbieten machen, ihm alles zurückzugeben; du wirst sehen, er wird mir empört etwas von seiner Liebe und Ehre erzählen, und
Weitere Kostenlose Bücher