Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
das Kinn. „Durchaus … Euer Gnaden.“ Ohne um Erlaubnis zu bitten, rauschte sie aus dem Zimmer.
Brabourne sah ihr nach und wandte sich dann zu dem großen Fenster, durch das das spärliche Nachmittagslicht in die Bibliothek fiel. Die Rosen standen in voller Blüte, ein paar Tulpen hielten sich noch tapfer.
Das Mädchen wurde allmählich zu einem Riesenproblem. Er wollte ganz bestimmt nicht in die Sache verwickelt werden, aber noch weniger wollte er, dass Juliet zur gesellschaftlichen Außenseiterin wurde. Sie hatte Mut. Und sie machte sich etwas aus anderen.
Er dachte wieder daran, warum sie ihm in Männerkleidern entgegengetreten war. Nur um ihres Vaters willen. Kein einziges Mal hatte sie die möglichen Auswirkungen auf sich selbst erwähnt, hatte sie vielleicht noch nicht einmal bedacht. Diesen ungewöhnlichen Zug würde er an jedem bewundern, aber an dem Mädchen fand er ihn mehr als bewundernswert.
Er traf eine Entscheidung und ging zur Tür in den Flur. Dort winkte er den nächsten Lakaien herbei. „Holen Sie mir Mr. Wilson. Sofort.“
„Ja, Euer Gnaden.“ Der junge Mann verbeugte sich und eilte davon.
Brabourne kehrte in die Bibliothek zurück und ließ sich in seinem Lieblingsledersessel nieder. Bald darauf klopfte es.
Jeremy Wilson betrat den Raum, ein schmaler Mann mit blondem Haar, das im Kerzenschein aufleuchtete. Der Typ, den Mütter gern aufpäppelten und andere Frauen gern beschützten. Die Männer mochten ihn auch. Brabourne verließ sich ganz auf ihn.
„Jeremy, mein langmütiger Sekretär“, sagte der Duke und bedeutete ihm, Platz zu nehmen. „Ich habe wieder einmal einen Fall für Sie, der mit meinen normalen Geschäften nicht das Geringste zu tun hat. Mit meinem gesellschaftlichen Leben hoffentlich bald auch nicht mehr.“
Jeremy grinste. „Schon wieder eine Frau, Euer Gnaden? Die meisten Männer wären hochbeglückt, wenn sie Tag und Nacht von Frauen umworben würden. Sie hingegen wollen sie immer nur loswerden.“
Brabourne erwiderte das Lächeln – aus Gewohnheit, nicht weil er wirklich belustigt gewesen wäre. „Ich bin aber nicht wie die meisten Männer. Außerdem werden alle Frauen früher oder später langweilig.“
Eine Spur Mitleid schimmerte in Jeremys grünen Augen auf. „Was kann ich diesmal für Sie tun, Euer Gnaden?“
Brabourne richtete sich im Sessel auf. „Ich möchte, dass Sie herausfinden, wo Lord Smythe-Clyde und seine Familie eingeladen sind.“
Der Sekretär riss die Augen auf. Der Duke hatte ihm schon viele ungewöhnliche Aufträge gegeben, etwas Derartiges aber noch nie.
„Ja“, sagte Brabourne trocken, „genau der Mann, der mich wegen seiner Frau zum Duell gefordert hat. Und Sie können ebenso gut gleich erfahren, dass der kranke Gast, den wir drei Tage beherbergten, Smythe-Clydes Tochter war – schließlich weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann, und außerdem wird sich die Gesellschaft darüber ohnehin bald den Mund zerreißen. Sie war es, mit der ich mich ursprünglich duellierte, das Zusammentreffen mit ihrem Vater war eine Farce.“
Nach einer Weile erwiderte Jeremy: „Interessant. Ich wette, sie würde nicht langweilig werden.“
Brabourne ignorierte den Kommentar, da er ihn als unangenehm scharfsichtig empfand. „Lassen Sie mich Ihre Ergebnisse so bald wie möglich wissen. Dort, wo ich keine Einladungen erhalten habe, besorgen Sie mir bitte welche.“
Jeremy erkannte, dass er für heute entlassen war, und erhob sich. „Bis zum späten Nachmittag sollten erste Ergebnisse vorliegen. Ach ja, Sie werden zum Ball der Duchess of Richmond erwartet, heute Abend. Soweit ich weiß, wurde dazu die ganze Gesellschaft geladen.“
„Auch die Smythe-Clydes?“
„Davon gehe ich aus“, sagte Jeremy von der Tür her.
Brabourne rieb sich die rechte Augenbraue. „Die Bälle bei ihr sind immer völlig überfüllt und langweilig, aber ich werde wohl hingehen müssen, wenn ich meinen Plan in die Tat umsetzen will.“
Jeremy wartete ab, ob sein Arbeitgeber sich noch weiter dazu auslassen wollte. Als der Duke sich erhob und dem Fenster zuwandte, erkannte er, dass er nun nichts mehr erfahren würde.
Brabourne hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, und fragte sich ein letztes Mal, wieso er sich die Mühe machte. Es lag lang zurück, dass er etwas für einen anderen getan hatte, der nicht zu seinen Freunden gehörte. Ein seltsames Gefühl.
Brabourne kniff die letzte Falte in sein Cachenez, während sein Kammerdiener stolz zusah. „Ein
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