Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
von ihm, um die Konsequenzen ihres Tuns ohne seine Hilfe auf sich zu nehmen.
„Wie kannst du es wagen, du undankbares Geschöpf!“, begann Emily. Beruhigend legte der Baron seiner Frau die Hand auf den Arm, doch sie schüttelte ihn ab. „Nein, Oliver, ich lasse mir nicht den Mund verbieten. Sie hat alles zunichte gemacht, was ich aufgebaut hatte. Sie war kurz davor, Brabourne zu heiraten. Brabourne, den begehrtesten Junggesellen von ganz England. Und sie läuft davon! Sie ist nicht nur undankbar, sie ist auch dumm.“
Äußerlich gelassen, ließ Juliet diese Tirade über sich ergehen, doch ihr Magen verkrampfte sich. Einzig das Bewusstsein, dass sie das Richtige zu tun versucht hatte, hielt sie aufrecht. Brabourne war nicht der passende Gatte für sie, wie sehr er sie körperlich auch anzog, wie sehr sie sich in ihrer Schwäche auch nach seiner Nähe sehnte.
Emily fuhr mit ihrer Gardinenpredigt fort.
Papa schüttelte nur den Kopf, als brächte ihn diese Situation völlig durcheinander. Vermutlich war das auch der Fall. Schließlich fragte er: „Warum, Juliet?“
„Ich will ihn nicht heiraten, Papa. Er würde mich unglücklich machen.“
„Warum hast du das denn nicht einfach gesagt, statt mit dem armen George davonzulaufen? So etwas gehört sich nicht. Sein Vater wird fuchsteufelswütend auf ihn sein.“
Sie blinzelte rasch und hoffte, niemand hätte die Tränen in ihren Augen gesehen. Das war alles so unglaublich schwer. „Ich hab es doch versucht, Papa. Du wolltest nicht zuhören.“
„Natürlich habe ich dir zugehört, aber du warst im Unrecht. Emily hat ganz recht, wenn sie sagt, dass es so am besten ist. Sonst wärst du ruiniert. Keiner wird dich mehr heiraten wollen.“
Wieder drehte sich ihr der Magen um. „George schon. Auch jetzt noch.“
Sie sehnte sich danach, ihrem Vater alles zu erzählen, vor allem Emilys Anteil an der Geschichte, doch diesmal hielt sie ihre Zunge im Zaum. Es würde nichts nützen und Papa nur verletzen.
„Du bist zu jung und unerfahren“, sagte Emily herablassend.
Juliet starrte sie erzürnt an. „Ich bin dreiundzwanzig, fast so alt wie du. Und ich mag gesellschaftlich unerfahren sein, aber mit Menschen kenne ich mich aus.“
Emily hob die eleganten Brauen. „Tatsächlich? Du hast eine seltsame Art, uns das zu zeigen.“
Juliet seufzte und wandte den Blick ab. Es gab nichts mehr zu sagen. Aber weh tat es dennoch. Wenn Mama noch am Leben wäre, wäre von alldem nichts passiert. Aber sie war tot.
„Geh auf dein Zimmer“, befahl Emily. „Und verlass dich darauf: Noch eine Gelegenheit, uns Schande zu bereiten, bekommst du nicht. Du kannst von Glück sagen, dass keiner weiß, was wirklich passiert ist.“
Juliet sah ihren Papa zum letzten Mal flehend an, doch der schüttelte nur verwirrt den Kopf. Sie drehte sich um und verließ den Raum. Harry folgte ihr. Laut hallten seine Stiefel in dem stillen Haus wider, während er hinter ihr herging.
Als sie an der Tür war, drehte sie sich zu ihm um. „Bitte geh weg. Ich weiß doch, dass du ihr am liebsten zustimmen möchtest.“
Er fuhr sich durch das Haar. „Es tut mir leid, Julie. Dass es so schlimm wird, hab ich nicht gewollt. Aber … du kannst nicht einfach mit jemandem durchbrennen, nur weil du einem anderen entrinnen willst. Das macht man einfach nicht.“
„Ein paar der höchsten Mitglieder der Aristokratie sind durchgebrannt“, zischte sie. „Und außerdem ist mir das egal. George und ich wären doch nie wieder nach London gekommen.“
Er seufzte. „Diese heimlichen Eheschließungen hat es vielleicht zu den Zeiten unserer Großeltern gegeben, Julie. Heutzutage kommt das nur noch ganz selten vor. Ehrbare Leute tun so etwas nicht mehr.“
Seine Worte verstärkten ihren Schmerz. „Du vergisst“, sagte sie sarkastisch, „dass ich nicht länger ehrbar bin.“
Vor lauter Anspannung tat ihr der Nacken schon weh. Bald würde sie rasende Kopfschmerzen bekommen. Sie rieb sich die verkrampften Muskeln.
„Bitte, Harry, geh weg. Ich brauche ein wenig Ruhe.“
Sie sah, wie er unsicher wurde, aber er erfüllte ihre Bitte. Mit schleppendem Schritt ging sie in ihr Zimmer und zum Bett. Sie kroch auf die große Matratze, rollte sich zusammen und starrte blicklos ins Leere.
Sie saß in der Falle. Sie bekäme kaum eine zweite Gelegenheit, Brabourne zu entwischen. Emily würde in die Spitzen der Gesellschaft vorstoßen. Manche Tür würde sich ihr öffnen, die eine oder andere würde ihr verschlossen bleiben.
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