Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
Vielleicht fand sie Zugang zu dem Kreis um den Prinzregenten. Es war ihr egal.
Juliet rollte sich auf den Rücken.
Und Brabourne. Sie wollte ihn nicht heiraten. Wahrhaftig nicht. Das sagte sie sich zumindest. Er würde ihr das Herz brechen. Vielleicht hatte er das ja schon getan, wenn der Schmerz in ihrer Brust irgendetwas zu bedeuten hatte.
Sie rollte sich auf die andere Seite und presste die Augen zusammen. Endlich flossen die Tränen, die sie die ganze Zeit so angestrengt zurückgehalten hatte, und benetzten ihr Kissen.
Wann war es geschehen? Wie hatte es geschehen können?
Es hatte Momente gegeben, in denen er nett zu ihr gewesen war. Er hatte Papa im Duell kein Haar gekrümmt, obwohl er es leicht hätte tun können. Schon deswegen fühlte sie sich zu ihm hingezogen, wenn auch wider besseres Wissen. Dann hatte er sie vor den Schlägern in Vauxhall gerettet. Aber diese Ereignisse hätten nicht ihr Herz erobern dürfen.
Ja, wenn sie ihn sah, begann sie zu glühen; er rief Empfindungen in ihr wach, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie existieren. Aber auch das hätte eigentlich nicht genug sein dürfen.
Mama hatte einmal gesagt, dass die Liebe niemals vernünftig und niemals bequem war. Vielleicht hatte sie damit ja recht gehabt. Man brauchte sich nur anzusehen, was die Liebe Papa angetan hatte.
Und ihr.
Eine Woche später stieg Juliet aus der Reisekutsche, die Brabourne für sie und ihre Familie geschickt hatte. Brabourne Abbey, der Sitz der Duke of Brabourne, war überwältigend. Es handelte sich um eine große gotische Abtei, die seit der Auflösung der Klöster unter Heinrich VIII. im Besitz der Familie war. Der graue Stein harmonierte mit der Farbe der Felsklippen, auf denen das eindrucksvolle Gebäude thronte; der Ärmelkanal war von allen Süd- und Ostzimmern aus zu sehen.
Juliet fand, dass der Wohnsitz Brabourne vollkommen entsprach: Er war düster und arrogant.
Sie hatte noch keine drei Schritte getan, als schon die Lakaien des Dukes in ihrer grün-schwarzen Livree herankamen. Ihnen auf dem Fuße folgte Brabourne.
„Willkommen in meinem Heim, Juliet“, sagte er und nahm einfach ihre Hand, obzwar sie sie ihm nicht dargeboten hatte. Dann küsste er jeden einzelnen ihrer Finger, sie unablässig beobachtend.
Obwohl sie Handschuhe trug, konnte sie seine Lippen spüren – ein beunruhigendes Gefühl. Die Erinnerung an das Intermezzo in der finsteren Nacht kehrte wieder. Ihr Puls raste, ihr Herz dröhnte. Sie konnte den Blick nicht abwenden von seinen wissenden Augen.
„Ich glaube fast, dass Prinny recht hatte. Du wirst Sommersprossen in Mode bringen, meine Liebe“, sagte er halblaut.
Da brach der Zauber, und sie entriss ihm ihre Hand. „Das möchte ich ernsthaft bezweifeln. Sommersprossen gefallen niemandem.“
Bevor er sie noch weiter in Verwirrung stürzen konnte, wandte sie sich ab. Inzwischen waren Emily und Papa aus der Kutsche gestiegen, gefolgt von Harry. Der Wagen mit ihrem Gepäck fuhr vor, und noch mehr Dienstboten eilten herbei. Es war der reinste Menschenauflauf.
Brabourne begrüßte ihren Papa.„Kommen Sie mit, Smythe-Clyde. Mein Butler und meine Haushälterin zeigen Ihnen Ihre Räume.“
„Ja, ja“, entgegnete Papa, während er sich eifrig umblickte. „Hübschen Landsitz haben Sie da, Brabourne. Wenn er mir gehörte, würde ich mich in London nicht mehr blicken lassen.“
Emily rollte mit den Augen. „Sei doch nicht albern, Oliver.“
Die kleine Gruppe steuerte auf die Marmorstufen zu, die zum Eingang hinaufführten. Juliet blieb ein wenig zurück; sie konnte nicht fassen, dass Papa so tat, als hätte er den Duke nie zum Duell gefordert. Männer waren so merkwürdig. Zumindest Papa.
Sie war nicht überrascht, als sie Burroughs entdeckte. Mit keinem Wimpernzucken ließ er sich anmerken, dass er sie kannte. Er beauftragte einen Lakaien, dass er Harry sein Zimmer zeige, und nahm sich höchstpersönlich Papas und Emilys an. Juliet blieb mit Brabourne in der Eingangshalle zurück.
An den Wänden hingen Musketen, kreisförmig angeordnet wie Sonnenstrahlen. Hirschköpfe mit prächtigem Geweih starrten blicklos auf sie hinab. Das Wappen der Herzöge von Brabourne, das einen Turnierritter zeigte, prangte samt dem Motto der Familie – „Furchtlos voran“ – über dem Eingang. Bald wäre es auch das ihrige.
„Bei Weitem nicht so prächtig wie das Carlton House“, bemerkte der Duke trocken.
„Zu wenig Gold“, brachte sie mit einem schwachen Lächeln
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