Stone Girl
hoch?«
»Keine Ahnung, aber wir müssen doch einen annehmbaren Platz für unsere Mäntel finden, oder?«
Sie laufen erst eine und dann noch eine Treppe hinauf. Je höher sie kommen, desto weniger schmutzig sieht es aus.
»Ich schätze, die wichtigeren Leute wohnen weiter oben«, sagt Janey. Sethie zuckt die Achseln. Im dritten Stock treffen sie auf einen Jungen, der gerade aus einem Zimmer kommt und die Tür hinter sich abschließt.
»Hey!«, sagt Janey.
»Ja?«
»Ist das dein Zimmer?«
»Ja«, antwortet er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ist es sauber?«
»Was?«, fragt er lachend. Sethie schätzt, dass er schon ein paar Semester studiert hat.
»Ist dein Zimmer sauber?«
»Warum?«
»Hör zu, Alter, das ist eine Ja-oder-Nein-Frage.«
Er lacht. Sethie überlegt, ob er wohl merkt, dass sie noch in der High School sind, oder eher denkt, sie seien ein paar aufgeblasene Uni-Neulinge. Sie überlässt das Reden gerne Janey.
»Ist es nicht.«
»Es ist dreckig?«
»Nein, es ist keine Ja-oder-Nein-Frage. Das ist zu seltsam, um eine Ja-oder-Nein-Frage zu sein.«
Janey öffnet den Mund, doch es kommt nichts heraus. Sie ist um eine Antwort verlegen, und das hat Sethie noch nie erlebt. Sogar der Junge, mit dem sie gesprochen hat, scheint gemerkt zu haben, dass ihm etwas Ungewöhnliches gelungen ist: Er hat das Mädchen verwirrt, das roten Lippenstift trägt, obwohl heutzutage niemand mehr mit rotem Lippenstift rumläuft.
Er hilft Janey auf die Sprünge: »Es ist sauber. Mein Hauptfach ist Chemie.«
Janey sagt immer noch nichts, also springt Sethie ein. »Was hat dein Chemie-Hauptfach mit einem sauberen Zimmer zu tun?«
Janey grinst, als wäre sie stolz, dass Sethie diese Frage gestellt hat. Später wird sie sagen: »Ich liebe es, wenn du so klugscheißerst.«
Der Junge antwortet: »Keine Ahnung. Schätze, es kommt mir einfach so vor.«
»Können wir in dein Zimmer?«
Wieder zieht er die Augenbrauen hoch. »Wofür?«
Janey scheint wieder unter den Lebenden zu weilen. »Jetzt mach nicht einen auf pervers. Für unsere Mäntel.«
»Ich glaube, die Leute stapeln ihre Mäntel auf einer Couch im Keller.«
Janey zieht die Nase kraus. »Wie eklig. Wir lassen unsere Mäntel nicht da unten. Wer weiß, was auf denen am Ende noch veranstaltet wird!«
Er lacht.
»Auch wieder wahr. Nehmt mein Zimmer.« Er öffnet die Tür hinter sich. Sethie merkt, dass er den Türgriff gar nicht losgelassen hat.
Er bleibt gegen die Tür gelehnt stehen, sodass sie sich an ihm vorbeiquetschen müssen, um ins Innere zu gelangen. Sethie geht zuerst.
»Wie heißt du?«, fragt Janey, als sie an der Reihe ist.
»Doug.«
»Eigentlich müsstest du jetzt nach unseren Namen fragen«, meint Janey, während sie das Zimmer betritt, sich den Mantel von den Schultern gleiten lässt und ihren Schal lockert. Als sie den Knoten des Schals ganz gelöst hat, schlüpft sie aus ihrer Strickjacke, und ihr Top mit dem u-förmigen Ausschnitt kommt zum Vorschein. Sethie bemerkt einen dünnen Schweißfilm auf Janeys Schlüsselbein. Sieht aus, als würde es glänzen.
Sethie schnappt sich Janeys Mantel und legt ihn sich über den Arm zu ihrem eigenen.
»Wo soll ich die hintun?«
»Da hinten hin.« Doug deutet auf seinen Schreibtisch. Sethie hängt die Mäntel über die Stuhllehne, während Doug die Schlüssel in der Hand baumeln lässt. Sethie macht sich Sorgen, weil sie ihn, wenn sie gehen wollen, ja erst ausfindig machen müssen, damit er sie wieder in sein Zimmer lässt. Vielleicht finden sie ihn nicht oder er liegt schon wieder hier und schläft und sie müssen ihn aufwecken. Niemand sonst scheint sich je um so etwas zu sorgen.
Janey steht immer noch in der Mitte des Zimmers und wartet darauf, dass Doug sie nach ihrem Namen fragt. Sethie glaubt nicht, dass er das tun wird.
»Ich bin Sethie«, sagt sie schließlich. »Und das ist Janey.«
»Freut mich«, erwidert Doug.
»Ebenso. Danke für das Zimmer.« Sie sieht Janey an. »Sollen wir mal die Jungs suchen gehen?«, fragt Sethie mit voller Absicht. Sie hat das Gefühl, schon eine lange Zeit mit diesem seltsamen Jungen in einem Raum zu sein. Sie sind nicht allein gekommen, und das soll er wissen.
Janey zuckt mit den Schultern. »Warum nicht.« Sethie macht einen Schritt auf die Tür zu. »Moment«, sagt Janey. »Schließt du die Tür ab?«
»Ja, klar.«
»Wie sollen wir dann an unsere Mäntel kommen, wenn wir gehen wollen?« Beinahe hätte Sethie gegrinst, weil Janey dasselbe gedacht hat wie
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