Stop saying Goodbye: Roman (German Edition)
ihrer Nachrichten und Mails ignorierte, war der Weg über
Hallo-o!
ihr letzter Ausweg, ihre einzige Chance, mich aufzuspüren. Was ihr irgendwie auch immer gelang.
»Na gut, anscheinend bist du nicht zu Hause«, fuhr sie fort. Ich wusste, wenn ich jetzt auf den Monitor blickte, würde ich sie sehen. Würde sehen, wie sie sich den Hals verrenkte, um mein Gesicht zu entdecken, und zwar schon wieder in einem neuen, ihr unbekannten Zimmer. »Ich hatte bloß gerade einen Moment Zeit, wollte Hallo sagen. Du fehlst mir, mein Schatz. Und ich habe daran gedacht, an welchen Colleges du dich beworben hast und wie es wäre, wenn du am Ende hier bei uns, auf der
Defriese,
landen würdest, sodass wir –«
Diese hoch spannenden Überlegungen wurden durch plötzliches Gebrüll unterbrochen, gefolgt von gleich noch mehr Gebrüll. Dann hörte ich heftiges Gemurmel sowie Geräusche, die auf ein mittelschweres Handgemenge schließen ließen. Erst dann sprach sie weiter.
»Okay, du darfst auf meinem Schoß sitzen, aber Vorsicht mit dem Computer. Connor! Was habe ich gerade gesagt?« Noch mehr gedämpftes Gerangel. »Madison, Schätzchen, schau her, in die Kamera. Sieh mal! Siehst du das? Sagst du bitte Hallo zu Maclean? Sag ›Hallo Mclean, hallo große‹ –Connor! Gib mir den Stift! Wirklich, ihr zwei, könnt ihr mich bitte einfach einen Moment …«
Ich löste mich vom Kühlschrank, durchquerte die Küche, ging hinaus auf die Veranda. Die Luft draußen war kalt, der Himmel klar. Ich stand einfach nur da, betrachtete den Basketballkorb, hörte endlich ihre Stimme nicht mehr.
Von meinem Standort konnte ich so halb ins Esszimmer des Nachbarhauses blicken, wo eine Frau mit kurzen, krausen Haaren, Brille und kariertem Pullover am Kopfende des Tisches saß. Vor ihr stand ein leerer Teller, Gabel und Messer lagen ordentlich über Kreuz darauf, exakt in der Mitte. Links von ihr saß ein Mann, vermutlich ihr Ehemann, groß, hager, ebenfalls Brillenträger, der ein Glas Milch trank. Mit ernsten Gesichtern blickten beide zum gegenüberliegenden Ende des Tischs, wo anscheinend noch jemand saß. Doch alles, was ich erkennen konnte, war ein Schatten.
Ich ging wieder hinein, blieb in der Küche stehen, horchte. Stille. Und das Summen des Kühlschranks. Mehr nicht. Dennoch näherte ich mich meinem Laptop mit allergrößter Vorsicht, schlich mich auf der Außenseite der Klappe an und spähte behutsam über den Rand, um sicherzugehen, dass auf dem Monitor nur noch der Bildschirmschoner sichtbar war. Erst dann setzte ich mich wieder davor. Und Bingo (wer hätte das gedacht?): Am Bildschirmrand hüpfte das Icon für den Eingang einer
Hallo-o!
-Nachricht – eine putzige Seifenblase – munter von einer Seite auf die andere. Und wartete auf mich.
Ich wollte bloß Hallo sagen, schade, dass wir uns verpasst haben. Wir sind den ganzen Abend daheim, ruf an und erzähl, wo du jetzt wieder gelandet bist. Ich liebe dich, Mom
Meine Mutter war wie Teflon, ich schwöre es. Ich konnte ihr eine Million Mal sagen, dass ich derzeit nicht mit ihr sprechen wollte, Abstand bräuchte, aber davon ließ sie sich nicht im Geringsten beirren. Es perlte voll an ihr ab. Anscheinend wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ich wäre wütend oder würde bewusst möglichst jeden Kontakt vermeiden; aus ihrer Sicht war ich wahrscheinlich einfach bloß zu beschäftigt.
Ich klappte meinen Laptop zu, hatte nicht mehr den Nerv, mir jetzt ein neues
ume.com
-Konto einzurichten. Lehnte mich zurück, starrte an die Decke. Im nächsten Moment ertönte von der anderen Seite des Hauses her, wie auch schon letzte Nacht, das dumpfe Dröhnen stampfender Bässe.
Ich stand auf, lief durch den Flur in mein Zimmer. Von meinem Bett aus hatte ich über die Hecke hinweg eine gute Sicht auf das kleine weiße Haus rechts von uns. Im Hof waren nach wie vor mehrere Autos geparkt und in dem Moment, da ich hinüberschaute, düste gerade ein riesiger alter Geländewagen heran und stellte sich daneben, wobei er mit Karacho über die Bordsteinkante bretterte und ganz nebenbei um ein Haar die versammelten Briefkästen der Nachbarschaft mit sich gerissen hätte. Die Fahrertür öffnete sich, ein bullig wirkender Typ im Dufflecoat schwang sich heraus. Er pfiff gellend auf zwei Fingern – eine Kunst, die ich schon immer bewundert hatte –, stapfte um den Wagen herum, öffnete die Heckklappe, zerrte an etwas Schwerem, das er geladen hatte. Gleichzeitig stürzten ein paar andere
Weitere Kostenlose Bücher