Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
leidlich bequem. Das Hotel besitzt nur einen Zwei-Sterne-Standard und ist dementsprechend zweckdienlich ausgestattet. Ich kann keinen exorbitanten Luxus verlangen. Selbst der kleine Fernseher im Zimmer ist noch ein altes Modell mit Röhre. Viel mehr Einrichtung gibt es in dem gedrungenen Raum mit der niedrigen Decke auch nicht. Gut, ein Kleiderschrank aus billigen Sperrholzplatten steht noch links neben dem Bett. Das wäre alles für den Wohnraum. Im Nachbarzimmer befindet sich ein kleines Bad mit Dusche, WC und Spülbecken. Ich kenne die verkalkte Ausstattung bereits von einem früheren Besuch. Trotz der bescheidenen Umgebung fühle ich mich augenblicklich wohl. Ich kann mich an dem Sessel anlehnen und erleide davon keine Rückenschmerzen. Die Dusche verspricht heißes Wasser und Sauberkeit. Ich will die Anstrengung des Tages von meinem Körper waschen. Aber noch nicht gleich. Vorerst möchte ich entspannen. Wenn nur die grelle Deckenlampe nicht so intensiv in mein Gesicht funzeln würde. Ich lege meinen linken Handrücken über die Augen und verharre einige Minuten reglos in dieser Position. Irgendwann wird mir mein Arm zu schwer; ich muss einsehen, dass ich so nicht ewig hier sitzen bleiben kann.
Ich raffe mich auf und schlurfe zum Hauptlichtschalter. Mein Zeigefinger stupst ihn an und hüllt den Raum in selige Dunkelheit. Ich orientiere mich am Boden und achte akribisch auf Stolperfallen. Schnell erreiche ich das Bett. Ich schalte die Nachttischlampe auf meiner kleinen Kommode an und falle in die weiche Matratze. Es ist herrlich. Ich gähne ausgiebig und strecke alle Gliedmaßen von mir. Meine verletzte Schulter knackt dabei mehrfach, sendet aber keine nennenswerten Schmerzimpulse aus. Ich könnte auf der Stelle einschlafen. Es ist ja auch schon spät, nach ein Uhr. Allerdings brauche ich auf jeden Fall noch diese Dusche. Mein verschwitzter Körper bettelt darum. Ich rieche wie ein alter Käse. Nach der Begegnung mit Kingston fühle ich mich zusätzlich auf einer anderen Ebene schmutzig, die sich selten mit Wasser bekämpfen lässt. Ein Versuch ist es jedoch wert. Der Kubaner war ein mieses Schwein, das den Tod verdient hatte, und dennoch habe ich keine Befriedung dabei empfunden, als ich ihm den Schädel durchlöcherte. Ich habe solchen Abschaum schon hundertfach beseitigt, trotzdem war es diesmal anders.
War es, weil ich keinen Auftrag dafür hatte? Konnte ich es nicht genießen, weil er nicht der Hauptschuldige an meiner Misere war? Oder hat mich Hannas Anwesenheit gestört? Ich kann ihre Augen nicht vergessen, als Kingston ungehemmt über ihren Großvater ausgepackt hat. Sie waren so unendlich traurig und verletzt. Die Wahrheit kann manchmal eine richtige Schlampe sein.
Ich gähne wieder und spüre einen Blick, der auf mir haftet. Ich drehe meinen Kopf nach links und schaue in Hannas verheultes Gesicht.
Sie ist wieder zu sich gekommen und trauert in absoluter Stille. Salziges Wasser läuft über ihre rosa Wangen, aber sie schluchzt nicht einmal. Sie sieht aus wie eine von Meisterhand gemeißelte Skulptur mit eingebauten Spezialeffekten.
Ich bin froh, dass sie wieder bei Sinnen ist. Ich hätte sie ungern nochmals mit meiner bösen Schulter durch die halbe Stadt geschleift.
» Schön, du bist wach!«, bemerke ich feinfühlig. »Wie geht es dir?«
» Besser, würde ich sagen.« Ihre Lippen bewegen sich monoton bei dieser dreisten Lüge. »Wie lange war ich weg?«
» Nicht lange. Etwa zwei Stunden.«
» Du hältst mich jetzt bestimmt für eine Niete. Erst will ich die Wahrheit über Opa erfahren, und dann kann ich sie nicht ertragen.« Sie wischt sich mit der linken Hand die Tränen aus dem Gesicht, um neuen Tropfen Platz zu machen.
Ich lächle und lege mich wieder auf den Rücken. Ich starre die unschuldig e weiße Decke an. »Da habe ich schon ganz andere Situationen erlebt. Das ist auch harten Typen passiert, die dreimal so viel wiegen wie du.«
» Ja?«, seufzt sie hoffnungsvoll. »Nenn mir ein Beispiel!«
Ich schaue verdattert zur Seite. Meint sie das er nst oder will sie mich nur auf den Arm nehmen? Sie ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.
» Komm schon!«, treibt sie mich an.
Ich glotze wieder nach oben. »Na gut«, räuspere ich mich. »Die Geschichte passt nicht hundertprozentig auf deinen Fall, aber sie weist gewisse Parallelen auf. Es ist ungefähr sechs Jahre her. Ich sollte so einen fetten Bastard, der seine Nase zu tief ins Drogengeschäft gesteckt hatte, umbringen. Er wollte
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