Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Wohnung durch den Kopf gingen, zählte ich die Punkte zusammen, die ich nun über Hanna wusste: Sie liebt Filme und Musik. Ihre Wohnung ist stimmig eingerichtet und ordentlich. Ich fand kaum ein Staubkorn auf ihren Möbeln. Sie ist schlau und absolviert ein kompliziertes Studium. Sie weiß sich zu wehren und betreibt regelmäßig mindestens eine Kampfsportart. Zudem liebt sie ihre Familie und ihre Freunde, sonst hätte sie sich keine Fotos von ihnen aufgehängt. Sie feiert gern und genießt ihre Jugend. Aber sie ist Single. Ich konnte zumindest keinen festen Freund auf den Bildern oder in ihrem Adressbuch ausmachen. Vielleicht wollte sie sich einfach noch nicht fest binden. Das würde zu ihrem Gesamtbild passen. Lebenslustig, gebildet, wehrhaft und gesellig.
Hanna war ein bemerkenswertes Mädchen, aber auch keine Wonderwoman, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie war gewiss weit davon entfernt, langweilig zu sein, das wusste ich, doch fehlte mir ein Puzzleteil, um ihren Charakter abzurunden. Zum Beispiel: Warum ging sie zum Kampfsport? Was trieb sie an? Welche Quellen informierten sie über einen Profikiller, der auf sie angesetzt wurde? Hatte Hanna ein dunkles Geheimnis, das ich einfach übersah? Oder war ich schlichtweg zu laut bei meinem Einbruch und hatte sie rechtzeitig alarmiert? Nein, ich verwarf den letzten Gedanken. Ich war schnell und präzise wie immer. Niemand hätte sich in dem schmalen Zeitfenster seinen Kendo-Stick aus dem Schrank holen und sich neben der Tür positionieren können. Jemand hatte sie gewarnt. Wahrscheinlich verweilte sie schon seit Stunden in der Angriffshaltung neben der Tür. Bis ich ihr den Gefallen tat und die Starre auflöste.
Ich ohrfeigte mich symbolisc h für meine Unbekümmertheit, schüttelte anschließend meine Scham ab und begab mich auf den Rückzug. Ich hatte doch zwei Minuten länger für meine Recherchen benötigt, als beabsichtigt, und musste schleunigst raus aus der Hütte. Noch hörte ich keine Sirenen, aber das war keine Grundlage dafür, die Füße hochzulegen. Ich stürmte hastig aus dem Ort meiner Niederlage und knallte die Tür hinter mir zu. Ich eilte ins Treppenhaus und trampelte die Stufen hinunter. Die letzten Meter in die Freiheit nahm ich mit weiten Ausfallschritten. Ich öffnete die Haustür und schielte in die Freiheit. Die Sonne ging langsam unter, viel früher, als noch vor zwei Monaten. Ich konnte das Naturschauspiel leider nicht auskosten. Der Straßenlärm, die Abgase. Mir wurde übel. Der Schlag auf den Kopf zeigte seine Nachwirkungen. Möglicherweise hatte ich eine kleine Gehirnerschütterung erlitten. Oder ich rannte nur zu schnell aus dem Haus; mein Kreislauf protestierte gegen die Anstrengung. Ich war nicht mehr ich selbst. Der Moment der Schwäche löste tiefen Selbsthass in mir aus. Ich stützte mich mit den Händen auf meinen Knien ab und pustete tief durch. Sauerstoff durchströmte meinen Körper. Es wurde langsam besser. Sehr langsam. Einige Menschen schauten sich verdattert nach mir um, hielten aber den Mund. Ich musste weitergehen. Weit weg von dem Schauplatz meines vereitelten Mordplans. Weit weg von neugierigen Blicken.
Ich schwankte in eine Nebenstraße und bog von dort aus in eine noch kleinere Passage ab. In dieser Gasse fühlte ich mich vorläufig sicher und unbeobachtet. Ich setzte mich auf eine heruntergekommene Bank und vergrub die Hände in mein Gesicht. Die Übelkeit verweilte in meiner Kehle wie ein ungebetenes Furunkel am Hintern. Ich wollte mir selbst in den Arsch treten, mir Mut zusprechen, aber es war zwecklos. Ich wurde besiegt von einem kleinen Schulmädchen. Stammte die Übelkeit wirklich von den Schlägen auf den Kopf oder eher von meinem geknickten Ego? Ich ließ die Antwort offen und stemmte mich in die Höhe. Unter großer Anstrengung schleppte ich mich zu meinem Mobby, den ich in einer anderen Seitenstraße abgestellt hatte. Zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich mich auf Weg dahin zweimal verlaufen hatte. So sehr trat ich neben der Spur. Irgendwann fand ich meinen Weggefährten dennoch. Ich setzte mich in den Wagen und startete den Motor. Mein treuer Freund stand zu mir und brachte mich in ein Hotel am Stadtrand. Fragen Sie mich nicht, wie ich unfallfrei dahingekommen bin! Wahrscheinlich hat Mobby selbst das Lenken für mich übernommen.
Während der Fahrt verschwammen mehrfach die anderen Ve rkehrsteilnehmer vor meinen Augen. Ich muss einen Schutzengel gehabt haben, auch wenn ich strenggenommen
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