Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Viele meiner Opfer glaubten, in der Masse der Millionen unterzugehen, aber sie hatten sich alle getäuscht. Im Vergleich zu den überdimensionalen Großstädten der Welt wie Tokio, Mexiko Stadt oder New York City ist Berlin ein Dorf. Der Aufenthalt meiner Opfer in Berlin spielte mir zumeist in die Karten, weil ich über die Jahre einige Kontakte im Untergrund knüpfen konnte. Und dorthin verkrochen sich die verängstigen Ratten immer. In Berlin lebten stets Menschen, die mir einen Gefallen schuldig waren, und ich bin nicht der Typ, der sich ziert, diese einzulösen. Nennen Sie mir ein Pornokino oder einen Waffenladen in der Stadt! Ich wette, ich kenne den Besitzer bei vollem Namen und habe auch schon ein Feierabendbier mit ihm getrunken. Deshalb gebe ich allen künftigen Flüchtlingen einen Tipp: Falls Sie mal die falschen Leute gegen sich aufgehetzt haben, setzen Sie sich in ein kleines Dorf am Arsch der Welt ab. Bis dahin haben die wenigsten Auftragskiller nennenswerte Kontakte. Sehen Sie diesen Rat als kleines Geschenk meinerseits an! Doch im Normalfall kommen Sie in einer Extremsituation sowieso nicht dazu, rechtzeitig die Koffer zu packen.
Ich erreichte mein Ziel in Berlin gegen Mittag. Ein Stau auf der verfluchten Autobahn ‚A9‘ hatte meinen Zeitplan gehörig durcheinander gewirbelt. Ein Lkw hatte zu wenig Abstand zu seinem Vordermann eingehalten und bretterte seinem Berufskollegen ungebremst in den Anhänger. Großer Sachschaden, leicht Verletzte, viel Lärm um Nichts. Wenn man wie ich schon bis nach Zentralasien mit dem Auto unterwegs war, können dich solche Zwischenfälle nicht mehr schocken. Dann ist man schon über eine scheinbare Selbstverständlichkeit wie eine asphaltierte Straße glücklich.
Ich ließ mich von dem Stau nicht aus dem Konzept bringen und fuhr klaglos weiter, nachdem die Trümmerteile von der Fahrbahn geräumt wurden. Ich parkte meinen Mobby im Berliner Stadtteil ‚Tempelhof‘ und schnupperte an dem Moloch, der die Hauptstadt meines Heimatlandes darstellte. Die Großstadtluft pulsierte vor Anspannung. Mein Wagen parkte wie immer einen guten Kilometer vom eigentlichen Zielort entfernt. Hannas Vater besaß ein Eigenheim in einer Reihenhaussiedlung im Süden von Tempelhof. Sein Name war Peter, sechsundvierzig Jahre alt. Ich hatte mich im Vorfeld ein wenig über ihn und sein Anwesen erkundigt. Ich verfüge da so über meine Quellen. Das Haus wurde erst vor fünfundzwanzig Jahren erbaut und erblickte demnach so ziemlich zur selben Zeit das Licht der Welt wie Hanna. Anfänglich lebte sicherlich auch Hannas Mutter mit der Familie zusammen. Ich konnte immer noch nichts Genaues über ihre Person und ihren Verbleib herausfinden. Ein Umstand, der mich allmählich wurmte. Irgendetwas sagte mir, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Ich durfte diesen Nebenschauplatz nicht aus den Augen verlieren. Man könnte diese Bedenken auch als Intuition oder als Bauchgefühl titulieren. Ich habe ein Näschen für Absonderlichkeiten jeglicher Art.
Meine Vorarbeiten blieben allerdings nicht gänzlich erfolglos. Das interessanteste Ergebnis meiner Recherche war das leerstehende Haus schräg gegenüber von Peter Crammes Eigenheim. Ich entdeckte das gute Stück im Angebot eines regionalen Immobilienmaklers und prüfte mit Google Street View die Lage des Objektes. Peter Crammes Haus wurde leider verpixelt dargestellt, aber der Blickwinkel von dem freien Anwesen sollte trotzdem passen. Aus diesem Grund entschied ich mich erneut für eine Observation. Ich wollte herausfinden, ob sich Hanna tatsächlich bei ihrer Familie aufhielt, wer alles zu Hause war und ob die anwesenden Personen irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen getroffen hatten. Ganz bestimmt wollte ich nicht wieder bei Hanna einsteigen und in meinen Untergang rennen.
Ich bin kein tollpatschiger Bauerntrampel, auch wenn ich früher als Kind den Anschein gemacht habe. Aber das ist eine andere Geschichte.
Einmal hatte Hanna mich verschont, aber das musste nicht wieder geschehen. Es war an der Zeit, mir die Gegebenheiten aus nächste Nähe anzuschauen. Ich schulterte mein Gepäck, ließ mein Auto hinter mir, spazierte durch mehrere Nebenstraßen und bog in das Zielgebiet ein. Ich achtete penibel genau auf die mir entgegenkommenden Fußgänger. Hätte auch nur ein Passant Ähnlichkeit mit Hanna oder einem ihrer Anvertrauten gehabt, hätte ich mein Vorhaben abgebrochen. Aber ich sah genau so wenig von den Crammes wie sie von mir. Ich kam unentdeckt an dem
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