Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Baumwipfel. Die Sonne ging seelenruhig unter, noch viel früher, als vor ein paar Tagen. Es war nach achtzehn Uhr. Ich hatte bereits über acht Stunden gewartet, ohne Nahrung, ohne Toilettenpause. Ich hatte mir nur ein paar Zigaretten als Zeitvertreib genehmigt. Ansonsten bestand mein Tag aus Starren und Gähnen.
Ich wollte mir gerade noch einen Glimmstängel anzünden, als ein Auto in die Einfahrt des Doppelhauses einbog. Ich steckte die Kippe schnell zurück in die Schachtel und ignorierte die gierigen Dämonen in meiner Brust. Meine Sinne waren geschärft. Ich musste den perfekten Augenblick abwarten, um zuzuschlagen.
Das Auto parkte vor der blauen Doppelhaushälfte. Eine Frau stieg aus. Sie war etwa ein Meter sechzig, schlank und allein. Perfekt !
Ich schaute die Straße in beide Richtungen h inunter und vergewisserte mich, dass niemand meinen Angriff beobachten konnte. Ich hatte Glück. Die Straße war wie ausgestorben, die Bordsteine hochgeklappt. Ich verließ mein Auto und positionierte mich hinter einer Kastanie. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie die Frau Einkäufe aus dem Kofferraum ihres Audis hievte. Ich legte mich fest. Evelin war die Tochter reicher Eltern. Ein so junger Mensch könnte sich sonst kein Haus und ein teures Auto gleichzeitig leisten. Es sei denn, sie wäre ein Ausnahmetalent in irgendeinem Fachbereich oder sie hätte im Lotto gewonnen. Ich schlich mich katzengleich in ihren Rücken.
Sie trug einen langen weinroten Mantel und schwarze, hochhackige Stiefel. Sehr geschäftsmäßig. Evelin lief zu ihrer Haustür und steckte den Schlüssel in das Schloss. Unter dem anderen Arm klemmten ihre Einkäufe von einem beliebten Discounter.
Ich verschwendete keine Zeit und nutzte den Moment der Ablenkung. Mit drei Sätzen schloss ich zu ihr auf und drückte ihr meine Desert Eagle gegen die Wirbelsäule. Sie stieß ein überraschtes Ächzen aus.
» Kein Mucks!«, drohte ich, bevor sie auf die Idee kam, loszuschreien. »Sonst bist du tot.«
Sie zitterte am ganzen Leib und blieb stumm. Schlaues Mädchen !
» Du wirst aufschließen und deine Wohnung betreten. Ich werde dir folgen. Drinnen erzähle ich dir, was ich von dir will. Verstanden?«
Sie nickte zögerlich. »J-ja.« Ihre zarte Stimme bebte vor Angst. Sie war keine starke Persönlichkeit wie Hanna, nur ein zerbrechliches, kleines Ding.
» Also los!«, drängte ich sie mit einem Stoß meiner Pistole.
Sie fingerte hektisch an ihrem Schlüsselbund herum und öffnete das Schloss. Ich schob die Heulsuse durch die Tür und warf selbige danach wieder in die Angeln. Niemand hatte uns bemerkt. Eine kleine Last fiel mir von meinen Schultern. Noch eine Niederlage in so kurzer Zeit hätte mein Ego nicht verkraftet. Ich war im Haus und hatte die Waffe in meinen Händen. Von da an war alles nur noch reinste Routine. Einschüchtern, Drohen und Druck machen. Spiel, Satz und Sieg!
Wir standen im Flur ihres Hauses und belauerten uns wie Tiere. Keiner wagte den ersten Schritt. Ich hatte nicht vor, weiter in das Haus einzutreten. Es lag nicht an dem Mobiliar oder einem dreckigen Boden. Evelins Zuhause war gepflegt und mit hellen Holztönen dekoriert, die vom Parkett bis zur Deckenverkleidung reichten. Die Einrichtung sprach mich durchaus an. Mein distanziertes Verhalten hatte eher praktische Gründe. Ich wollte schnellstmöglich wieder aus dem Haus abhauen und dabei möglichst wenig Spuren hinterlassen. Man kann nie wissen, wann einem ein simpler Fußabdruck mal zum Verhängnis wird. Hinterher ist das Gejammer riesengroß.
Die Frau stand immer noch mit dem Rücken zu mir und regte sich keinen Zentimeter, obwohl die Waffe sie nicht mehr direkt bedrohte.
»Evelin Rajkowitz?«, fragte ich sie obligatorisch.
Sie nickte.
»Gut«, konstatierte ich knapp. »Stell deinen Einkauf auf den Boden, und dreh dich zu mir um! Ich muss deine Augen sehen, wenn ich mit dir rede. Sonst flunkerst du mich noch an.«
Manche Leute aus dem Publikum werden jetzt denken, dass mein Verhalten sehr dumm war. Evelin hatte mich bislang nicht gesehen, und nun entledigte ich mich selbst meiner Anonymität. So könnte sie später ein Phantombild von mir anfertigen lassen. Selbstverständlich gehe ich mit so einem Verhalten ein gewisses Risiko ein, aber es ist überschaubar. Die meisten Menschen wenden sich bei einem solchen Fall nicht an die Polizei, aus Furcht vor Konsequenzen. Sie sehen die Waffe und scheißen sich eher in die Hose, als petzen zu gehen. Für mich ist viel
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