Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Konsequenzen! Ich tippe ‚Hanna Cramme‘ in die Suchleiste ein.
Aus dem Cursor auf dem Bildschirm wird eine kleine Sanduhr, die verdeutlicht, dass meine Anfrage gerade bearbeitet wird. Ich kann kaum ruhig sitzen. Mein linkes Bein zappelt auf und ab. Meine Augen fixieren gebannt den Bildschirm. Gib mir etwas, mit dem ich arbeiten kann! , flehen sie den Monitor an. Mehrere Sekunden verstreichen.
Die Sanduhr verhöhnt mich. In dem Moment, in dem ich aufgeben und die Suchanfrage wiederholen will, macht sie wieder dem weißen Pfeil Platz.
Ich blinzele und sehe das Ergebnis : ‚Keine Einträge vorhanden.‘ Es ist ernüchternd. Ich könnte vor Frust die Wände hochgehen und wild um mich schlagen. Allerdings hilft mir ein Wutausbruch samt zertrümmertem Rechner bei meiner Suche auch nicht weiter. Ich atme ruhig aus und tief wieder ein. Mein Brustkorb schmerzt, als er sich zu stark ausdehnt. Ich huste gedämpft in die Stille. Wieder ernte ich vorwurfsvolle Blicke von meinem Nebenmann. Ich ignoriere den Typen. Was will er von mir? Ich habe gehustet und keine Arie gesungen.
Meine Finger jagen wieder über die Tastatur. Ich gebe eine neue Anfrage ein. Ist das schon meine letzte Option? Der Name ‚Peter Cramme‘ erscheint auf dem flachen 19-Zoll-Monitor. Ich bestätige den Auftrag mit ‚Enter‘. Wieder erscheint die Sanduhr. Tick-tick-tick. Der Rechner macht es spannend. Quält er mich absichtlich? Hat der Computer einen schlechten Sinn für Humor? Ich vermenschliche ihn nicht weiter und betrachte ihn als die Maschine, die er ist. Er muss eine große Liste von Einträgen durchgehen. Das braucht seine Zeit. Die Technik hat sich nicht gegen mich verschworen. Ich schließe die Augen für einen Moment, denke an die hunderttausend Euro und öffne sie wieder. Der PC hat mich erlöst. In der Ergebnisleiste stehen zwei Einträge:
Ihre Ergebnisse zur Suchanfrage ‚Peter Cramme‘:
1. Berliner Zeitung, 03.12.2001, Artikel, Lokal, Seite 22, Regal 97-123
2. Berliner Zeitung, 09.05.2003, Annonce, Lokal, Seite 33, Regal 105-36
Mein Herz vollführt einen Salto vorwärts. Volltreffer! Ich kann zwar nicht sagen, was die Schriftstücke enthalten, aber sie können mir hoffentlich weiterhelfen. Ich balle die Faust vor Freude.
In den Regalen siebenundneunzig und hundertfünf werde ich fündig. Die Nummern dahinter gehören offenbar zu den betreffenden Bänden, die die alten Tageszeitungen enthalten. Ich grinse diabolisch auf den Bildschirm. Der Grinch hat Weihnachten geklaut.
Bevor ich in die zweite Etage stürme, will ich noch einen letzten Namen überprüfen. Das mache ich nur zur Sicherheit, um mir unnötige Wege zu ersparen. Meine Fersen werden es mir danken. Ich gebe ‚Julie Cramme‘ ein und warte. Das alte Spiel beginnt. Pfeil-Sanduhr-Pfeil. Keine Einträge. Ich habe kein Problem damit. Es war sowieso nur ein Versuch. Ich habe meine Treffer bei Hannas Vater erzielt. Auch wenn die Fundstücke alt sind, könnten sie mir viel über ihn verraten. Hobbys, Bekannte, Vorlieben, mögliche Aufenthaltsorte. Es muss einfach etwas Brauchbares zu finden sein.
Die zweite Etage der Bibliothek ist ein Sammelsurium aus alten Texten und Schriften. Ein Mekka für Nostalgiker. Massive Holzregale ragen bis unter die fünf Meter hohe Decke. Sie sind bis an den Rand vollgestopft mit dicken Büchern. Die Schriftstücke sind teilweise nur mit einer Leiter erreichbar. Um die Illusion perfekt zu machen, fehlt nur noch eine sichtbare Staubschicht auf den prallen Bänden. Die Bibliothek verfolgt aber eine andere Unternehmensphilosophie. Es herrscht deutsche Gründlichkeit. Die Kanten der Bücher sind abgewetzt, aber die Wälzer sind nicht dreckig.
Ich stehe vor Regal siebenundneunzig und nehme Band hundertdreiundzwanzig heraus. Aus Regal hundertfünf ergreife ich Band sechsunddreißig. Beide Bände lassen sich ohne große Mühe herausziehen. Zusammen lasten die Bücher allerdings schwer unter meinem linken Arm. Mein Rücken ächzt unter dem zusätzlichen Gewicht. In Normalform würde ich die Sammelbände problemlos herumschleppen können, notfalls rund um den Globus. Leider befinde ich mich aber nicht in Normalform. Ich bin so weit von meiner Normalform entfernt, dass es nicht mehr feierlich ist.
Mein Atem geht schwer , als ich die Bücher auf den nächsten freien Leseplatz wuchte. Sie rutschen mir aus der Hand und knallen auf den Tisch. Ich fahre unter dem Laut zusammen. Diesmal gibt mir niemand zu verstehen, dass
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