Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
gebeichtet, sonst habe ich es keinem erzählt. Ich wusste, dass die Vergiftung meiner Mutter mit der Vita brevis in Zusammenhang stehen musste. Papa hatte ein Recht darauf, das ebenfalls zu erfahren.«
Ich schaue auf ihr trostloses Gesicht, will zu ihr gehen, sie sanft berühren und ihr etwas Aufbauendes ins Ohr flüstern. Allerdings fallen mir keine tröstenden Worte ein. Unter meiner Berührung würde sie bestenfalls Schüttelfrost bekommen. Deshalb bleibe ich auf meinem Hintern sitzen, weit weg von ihrer zarten Haut. »Wenn deine Geschichte stimmt, steckt sicherlich die Vita brevis hinter den Mordaufträgen. Das ergibt Sinn. Mir hat sich natürlich niemand als Abgesandter dieser Vereinigung vorgestellt. Ich höre nur das Ziel und lege los. Bleibt nur eine Ungereimtheit offen.«
» Ja? Was denn?«, seufzt Hanna.
» Warum setzt diese Organisation mich acht Jahre später auf dich an?«
» Musst du diese Frage wirklich stellen? Du bist doch laut eigener Aussage so helle. Denk mal nach!«
Meine Gehirnwindungen kreisen. Ich wäge verschiedene Faktoren ab. Endlich schlägt der Blitz ein. »Du hast die Arbeit deiner Mutter wieder aufgenommen.«
» Das war wirklich dumm von dir, Große«, mischt sich Peter ein.
» Hundert Punkte!«, haucht Hanna. »Ihr Arbeitszimmer auf dem Dachboden blieb nach ihrem Tod unangetastet. Auch ihr Rechner. Nur kannte keiner das Passwort, selbst Papa nicht. Ich habe es vor ein paar Monaten mithilfe eines Computerspezialisten geknackt und nächtelang ihre alten Akten studiert. Diese Schweine müssen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Ich will sie tot sehen oder wenigstens lebenslang im Gefängnis.« Ihre Stimme klingt bei diesen Worten keinesfalls wütend. Sie ist die Ruhe selbst.
Ich grinse dezent vor mich hin. Hannas Motiv ist Rache, die gute altmodische Rache. Ein vertrautes Gefühl, das dich innerlich verbrennen kann. Aber es ist wenigstens ehrlich. Rache ist wunderbar vielschichtig. »Warum hat die Polizei nicht weiter wegen der Gruppe ermittelt?«, will ich wissen.
» Ganz einfach«, sagt Hanna belustigt. »Das sind alles miese Feiglinge. Als herauskam, dass meine Mutter vergiftet wurde, haben sie die Ermittlungen an dem Vergewaltigungsfall wegen fehlender Beweise eingestellt. Die Angelegenheit wurde hübsch unter den Teppich gekehrt; keiner hat jemals wieder danach gefragt. Vielleicht werden einige Beamte auch von der Vita brevis geschmiert. Es würde mich nicht überraschen.«
» Polizei, dein Freund und Helfer! Ich könnte kotzen.« Das erste Mal in dem Hotelzimmer richtet sich Peter Crammes Hass nicht gegen mich.
Julie übt sich derweil weiter im Mundhalten. Über ihrem Kopf blinken aber tausende Fragezeichen. Bestimmt will sie die Fragen nicht in meinem Beisein stellen. Sie hat logischerweise kein Vertrauen zu mir. Oder schämt sie sich nur, weil das Thema so anzüglich ist?
Ich unterhalte mich weiter mit Hanna. »Hast du mit den Notizen deiner Mutter etwas anfangen können?«
» Ja«, nickt sie entschlossen. »Ich habe einen männlichen Namen herausgelesen und bin dieser Spur nachgegangen. Der Wichser wohnt immer noch in Berlin. Bevor ich ihn aushorchen konnte, bist du aber auf den Plan getreten. Schönen Dank noch mal!«
Ich überhöre die Ironie und erkläre vollkommen ernst: »Ab heute könnte sich das ändern. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir die Vita brevis stürzen.«
» Du vergisst, dass du mich vor Kurzem noch umbringen wolltest. Jetzt sollen wir Rücken an Rücken über einen mächtigen Verband brutaler Menschenhändler herfallen? Wie soll ich dir das abnehmen? Und wie soll das klappen?«
» Wie heißt es so schön? Der Feind meines Feindes ist mein Freund«, lächle ich. »Ich habe auch einen triftigen Grund, mich an der Organisation zu rächen.«
» Der da wäre?«, erkundigt sich Hanna fast gelangweilt.
» Die Stimme des Kerls, der mir im Wald in den Rücken fiel und die Stimme des Mannes, der mir den Mord an deiner Mutter befohlen hat, … sie … na ja … sind identisch.«
Hanna wirkt amüsiert. »Unmöglich! Keine Chance!«
Peter Cramme schüttelt den Kopf.
Julie sitzt da wie bestellt und nicht abgeholt.
»Die Stimme war rau und kratzig. Sehr markant«, erinnere ich mich zurück. »Wer hat dir an dem Tag im Wald geholfen, Hanna? Wer war es?«
» Das ist Unsinn«, stöhnt Hanna abweisend. »Der Mann, der dich abgelenkt hat, war mein Opa.«
» Der Typ, der gerade eben mit euch am Grab deiner Mutter stand?«, hake ich aufgeregt
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