Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
»Warum hatte Pia einen anderen Familiennamen als ihr?«
Ich sehe Peter in die Augen, aber er wendet sich nur beleidigt ab.
Hanna ist es, die mir im Plauderton antwortet. »Meine Eltern waren …, beziehungsweise sind beide ziemliche Dickköpfe. Sie wollten bei der Hochzeit ihre Namen behalten. Keiner rückte ein Stück von seinem Recht ab. Und so behielten sie auch ihre individuellen Namen als Ehepaar. Doch als ich unterwegs war, mussten sie sich entscheiden, welchen Namen ihr Kind tragen sollte. Ein Doppelname schied nach ihrem Befinden aus. Aus diesem Grund warfen sie eine Münze. Cramme hat gewonnen. Ja, und so blieb Mama die einzige ‚Waldenburg‘ in der Familie.«
» Ein Münzwurf?«, wiederhole ich. »Finde ich gut. Ist eine faire Sache.«
» Na Wahnsinn«, grollt Peter ungeduldig. »Seid ihr fertig mit eurem Altweibertratsch? Ich dachte, wir haben keine Zeit für Belanglosigkeiten.«
» Sorry«, entschuldige ich mich achselzuckend. »Das hat mich eben interessiert. Kommen wir zum Wesentlichen! Ihr habt bestimmt Fragen an mich. Schießt los!«
» Ja«, nickt Hanna. »Ich will deinen Sinneswandel begreifen. Du hast herausgefunden, dass Pia meine Mutter ist. Und dann? Hat sich dein schlechtes Gewissen geregt, weil du schon jemanden aus meiner Familie umgebracht hast? Das glaube ich dir nicht. Da steckt doch mehr dahinter. Warum willst du mich nicht mehr töten? Ich würde dir doch gutes Geld einbringen, oder nicht?«
Das Mädchen ist klug. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sie so einen komplizierten Studiengang wie Pharmazie belegt. Sie durchschaut komplexe Zusammenhänge mit Leichtigkeit. Ich klebe ihr gedanklich ein Bienchen in ihr Hausaufgabenheft. »Sehr scharfsinnig!«, bemerke ich. »Ich verstehe langsam, warum du noch am Leben bist. Trotzdem hast du nur teilweise recht. Ob du es nun glaubst oder nicht, eure Familientragödie hat mich schon zum Nachdenken gebracht. Ich kannte so etwas wie Schuldgefühle noch nicht wirklich, bis ich dich kennengelernt habe. Und … na ja … keine Ahnung, warum ich euch das erzähle, aber ich bin zu der Einsicht gekommen, dass ich einige Fehler in meinem Leben begangen habe.«
» Bravo!«, höhnt Peter. »Wer hätte geahnt, dass Mord etwas Schlechtes ist.«
» Oh, steig von deinem hohen Ross herunter, mein Bester!«, knurre ich ihn an. »Fast alle meine Opfer hatten den Tod verdient. Eine kleine Minderheit vielleicht nicht, zugegeben. Zu denen gehörte ganz bestimmt auch Pia. Ich hätte mich besser über die einzelnen Fälle informieren sollen, statt alle in einen Topf zu werfen. Das ist auch schon die ganze Wahrheit.«
Peter stößt nur ein überhebliches »Pah« aus und schaut an mir vorbei ins Leere.
Hanna gräbt derweil weiter nach Gold: »Und was hat dich noch dazu veranlasst, den Auftrag abzubrechen, wenn es nicht nur Mitleid war?«
» Der Mord an deiner Mutter«, werfe ich in den Raum. »Es existiert eine Parallele zu dir. Der Auftrag stammte von demselben Auftraggeber, der nun auch dich beseitigen will.«
» Wer ist es?«, will Hanna wissen. Die Tatsache an sich scheint sie nicht sonderlich zu schockieren.
Ich schüttle den Kopf. »Ich habe keinen Namen, aber ich denke, du kannst ihn mir nennen.«
» Wie soll ich …«, stammelt Hanna. »Du meinst, ich kenne ihn …, was?«
» Nicht so hastig, ich brauche jetzt erst noch Informationen von dir. Alles zu seiner Zeit! Ich weiß gar nicht, ob du die Wahrheit verträgst.«
» Hör nicht auf ihn, Hanna! Der führt irgendetwas im Schilde. Ich verstehe nur Bahnhof«, plärrt Peter dazwischen.
» Warte, Papa! Das interessiert mich«, stellt sie ihren Vater ruhig. Sofort zielen ihre haselnussbraunen Augen direkt in mein Gesicht. »Was willst du von mir wissen?«
» Woran hat Pia kurz vor ihrem Tod gearbeitet? Du musst darüber Bescheid wissen, weil diese Leute, wer auch immer sie sind, sonst nicht auch hinter dir her wären.«
Hanna starrt an die weiße Decke. Nässe überflutet ihre Augen. Zum ersten Mal zeigt sie echte Gefühle. Sie hat sie viel zu lange unterdrückt. Die Erinnerungen wühlen das Mädchen auf. »Na gut, ich sage es dir. Auch wenn ich eigentlich nicht möchte, dass Julie das hört. Aber ich kann ihr kaum die Ohren zuhalten oder sie in ein anderes Zimmer schicken.«
Peter Cramme kratzt sich nervös an der Stirn.
Julie mischt sich mit zarter Stimme ein: »Ich werde es verkraften, Hanna. Ich bin alt genug, um endlich die ganze Wahrheit zu erfahren.«
» Dafür ist niemand alt
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